Platen. 693 durch die Schönheit des Südens, verlebte er seine letzten Jahre in Italien und sagte was kein Deutscher sagen darf: „Wie bin ich satt von meinem Vaterlande!“ Mit ihm begann eine neue, wenig erfreuliche Spielart des deutschen Kosmopolitismus. Die deutschen Weltfahrer der guten alten Zeit hatten sich, wenn sie nicht heimkehrten, zumeist wenig um die Heimath bekümmert. Der erleichterte Reiseverkehr und das regere politische Leben des neuen Jahrhunderts bewirkten, daß sich bald überall in der Welt deutsche Männer fanden, die aus mannigfachen Gründen, viele nur aus Aerger oder aus Bequemlichkeit, ihr Leben im Auslande verbrachten und gleich— wohl, da sie ihr Volksthum treu bewahrten, sich berufen glaubten in den Händeln des Vaterlandes ohne nähere Kenntniß mitzureden. Die Zahl dieser heimathlosen Patrioten wuchs nachher durch die politischen Verfol— gungen beträchtlich an, und allmählich ward es zur Regel, daß jedes vater— ländische Ereigniß von einem vollen Chor deutscher Stimmen aus der Fremde begleitet wurde. Einzelne der Ausgewanderten gewannen zwar in großen Verhältnissen freieren Weltsinn und ein Verständniß für die letzten Gründe unserer politischen Schwäche; die meisten aber verfielen der natürlichen Erbitterung der Emigranten. Ihre gellenden Klagen über das deutsche Elend vergifteten nur die öffentliche Meinung daheim und bestärkten das Ausland in seiner ungerechten Geringschätzung. In Platen's Seele lebte ein kräftiger Nationalstolz, und oftmals gab er dem unbestimmten Freiheitsdrange der Zeit erhabenen Ausdruck: O goldne Freiheit, der auch ich entstamme, Die du den Aether wie ein Zelt entfaltest, Die du, der Schönheit und des Lebens Amme, Die Welt ernährst und immer neu gestaltest! Nach der Julirevolution trat er gradezu als politischer Dichter auf. In den stillen Jahren vorher pflegte er seine politischen Gedanken meist in die Parabasen seiner Literaturdramen einzuflechten. Da seine drama- tischen Versuche gänzlich mißlangen, so beschied er sich „statt des Welten- bildes nur ein Bild des Bilds der Welt zu geben". Er selber sagte zwar, daß er diese Zwittergattung nur wähle, weil der Sonnenschein der Frei- heit seine Tage nicht erhelle. In Wahrheit folgte er dem Drange seines starken satirischen Talents; in keinem seiner Werke offenbarte sich neben vollendeter Kunst so viel Naturkraft wie in den beiden aristophanischen Lustspielen: die verhängnißvolle Gabel und der romantische Oedipus. Literarischer Streit veraltet schnell und erscheint den Nachlebenden bald widerwärtig; der schweflige Geruch des Pulvers belästigt noch, wenn der gewaltige Donner des Geschützes schon verhallt ist. Die Erscheinung dieser Literaturdramen bewies allerdings, daß unsere Dichtung schon in den Zustand der Ueberreife einzutreten begann, doch in einer büchervollen Welt war die dramatisch ausgestaltete literarische Satire, die von der Bühne ganz absah, nicht unberechtigt, besser berechtigt zum mindesten als