Die Pilgerfahrten nach Paris. 709 Offiziere, die während des Krieges in Frankreich in Quartier lagen, hatten wohl bemerkt, daß die große Mehrheit dieser Nation aus sparsamen, fleißigen, furchtsamen Geschäftsleuten bestand und der militärische Geist dort ungleich schwächer war als in Preußen. Diese richtige Erkenntniß ging den Deutschen jetzt wieder verloren, seit die Schüler Börne's ihnen beharrlich erzählten: die ritterliche französische Nation kümmere sich wenig um die niederen, wirthschaftlichen Sorgen, sie glühe vor Begierde, sich selber die Freiheit zu sichern, um sie dann anderen Völkern großmüthig mitzutheilen. Der Cultus der sogenannten Ideen von 89, der sich während der Revolutionsjahre doch nur auf kleine Kreise der deutschen Gelehrten- welt beschränkt hatte, wurde erst durch diese deutsch-französische Publicistik in die breiten Massen unserer Mittelstände hineingetragen. Es war die denkbar schlechteste politische Schule für ein Volk, das sich ohnehin zum Doktrinarismus neigte. Nach seiner Rückkehr aus Paris zeigte sich Börne fieberisch aufgeregt. Er ersehnte die Revolution. Woher sie kommen und was sie bringen sollte, das wußte er selber nicht. Da die Deutschen ruhig blieben, so schimpfte er sie aus, ebenso unfläthig wie einst Saul Ascher. In den Jahren nach dem Freiheitskriege hatte die Nation noch ihr Hausrecht gebraucht und Ascher's jüdischer Frechheit die Thüre gewiesen. Jetzt war die Stimmung umgeschlagen. Die gesinnungstüchtigen Radicalen schauten einander mit verständnißinnigem Lächeln an, wenn Börne mit immer neuen Schimpf- worten denselben Gedanken wiederholte: die Deutschen seien ein Volk von Bedienten und brächten auf den Ruf Apportel schweifwedelnd ihren Herren die verlorenen Kronen zurück. Sie fanden es witzig, wenn er die Ver- brennung der Göttinger Bibliothek anempfahl und den Vorsatz aussprach die Deutschen durch Schimpfen zum National-Aerger zu stacheln. Sie riefen ihm Beifall, als er mit einer Gehässigkeit, die dem Eifer der Dema- gogenverfolger nichts nachgab, der politischen Gesinnung der namhaften Zeitgenossen nachspürte, jeden Vertreter gemäßigter Grundsätze kurzerhand der Knechtsgesinnung beschuldigte und vornehmlich die ersten Geister der Nation, weil er sie nicht begriff, mit niedrigen Verdächtigungen verfolgte. Goethe nannte er den gereimten Knecht, Hegel den ungereimten. Wer durfte es der jungen Generation verargen, wenn sie gegen den Schiller- Goethischen Briefwechsel das Recht der Lebendigen gebraucht und schroff, selbst ungerecht herausgesagt hätte, diese Welt der Schönheit sei gewesen? Börne that mehr. Er eiferte nicht nur gegen die volksfeindliche Gesin- nung Goethe's und selbst Schiller's, der sogar ein noch ärgerer Aristokrat gewesen sein sollte. Er zog auch den Freundschaftsbund der beiden Dichter in den Koth und besudelte ihre menschliche Größe, die grade aus diesen Briefen so überwältigend zu allen deutschen Herzen sprach. Traurig, rief er aus, „daß unsere zwei größten Geister in ihrem Hause so nichts sind, nein weniger als nichts, so wenig!“ Sein Urtheil über Goethe faßte er