26 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede. gerichteten Armenamte untergeordnet; die neue Armenverwaltung übertraf die alte durch technische Geschicklichkeit, jedoch sie lag ausschließlich in der Hand besoldeter Beamten, den Ortsausschüssen blieb nur das bequeme Recht des Wählens. Zum Jubel der Radikalen ward also der erste, entscheidende Stoß geführt wider den alten festen Unterbau der parlamen- tarischen Aristokratie, das Selfgovernment der Grafschaften, und bald be- mächtigte sich die neue Bureaukratie auch anderer Zweige der Verwaltung. An beiden Ufern des Kanals rühmte man sich seines Bürgerkönigs und der gemeinsamen Freiheit. In der Tat begannen die Briten aus ihrem stolzen aristokratischen Sonderleben herauszutreten, ihr neues Unter- haus wurde von allen Kinderkrankheiten des jungen festländischen Par- lamentarismus heimgesucht. In dem unberechenbaren Spiele der Frak- tionen gaben die geschworenen Feinde der Reichseinheit, die Iren schon zuweilen den Ausschlag; die Ministerwechsela. dreizehn in fünfunddreißig Jahren, folgten sich fast so schnell wie in Frankreich. Freilich bestand in England, da das Erbrecht und die Unverantwortlichkeit seiner macht- losen Krone unbestritten blieb, noch immer eine ehrliche parlamentarische Regierung, während der illegitime König der Franzosen mit seinem Kopfe einstehen mußte und folglich auch trotz der konstitutionellen Formen ein persönliches Regiment führte. Das innerste Wesen dieser Übergangszeit verkörperte sich in dem Talleyrand des Parlamentarismus, dem vielgewandten Staatsmanne, der, Aristokrat durch Geburt und Neigung, fortan mit demagogischer Meister- schaft die auswärtige Politik Englands leitete. Lord Palmerston stammte aus einem uralten angelsächsischen Geschlechte, das schon lange vor der normannischen Eroberung geglänzt hatte; in neuerer Zeit war das Haus der Temple immer eine Zierde der Whigpartei gewesen. Der junge Viscount Henry aber trat unbedenklich zu den Torys über, weil die Whigs in jenen napoleonischen Tagen nicht auf die Macht hoffen konnten. Mit zweiundzwanzig Jahren war er Lord der Admiralität, zwei Jahre darauf schon Sekretär für den Krieg, und lebte sich mit seiner eifrigen, wenn auch unpünktlichen Arbeitsamkeit bald so ganz in die Geschäfte ein, daß er die Amtstätigkeit nicht mehr missen konnte. Er wurde der dauer- hafteste aller englischen Minister; von den achtundfünfzig Lebensjahren, die ihm nach seinem Eintritt ins Amt noch beschieden waren, hat er achtund- vierzig auf den Ministerbänken zugebracht. In den Jahren, da er die Heere gegen Napoleon ausrüsten half, sammelte er früh eine reiche diplo- matische Erfahrung, und schon in seiner ersten größeren Parlamentsrede verkündete er dreist den leitenden Gedanken seines politischen Lebens: er rechtfertigte den Zug der Flotte gegen Kopenhagen mit den einfachen Worten, in diesem Falle sei „das Naturrecht stärker als das Völkerrecht", folglich dürfe England um seiner Selbsterhaltung willen mitten im Frieden einen kleinen Nachbarstaat räuberisch überfallen. Der augenblickliche