40 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede. gegen die siegreichen Mächte der Revolution wollte er nicht mehr aufnehmen; er stand nicht an, die Niederlage der alten Gewalten ehrlich einzugestehen: „das lebhafte Gefühl, daß wir geschlagen sind, raubt uns die letzten Kräfte zur Rettung.“ Frieden! — hieß jetzt die Losung aller seiner Briefe. Unermüdlich, und nicht immer ganz der Wahrheit getreu, versicherte er dem Vertrauten Samuel Rothschild, zur Mitteilung an die Pariser Freunde, daß keine der drei Ostmächte an einen Krieg denke; mit warmem, fast überschwenglichem Lobe pries er die Friedfertigkeit der französischen Regierung. Nicht lange, so entdeckte er sogar, daß die Volkssouveränität, dank der Mäßigung des Bürgerkönigs, unvermerkt in eine neue Legiti— mität übergehe: warum könnten diese beiden großen Staatsgrundsätze nicht friedlich, wie Protestantismus und Katholizismus in der Staaten— gesellschaft nebeneinander bestehen? warum sollte Europa wieder wie im sechzehnten Jahrhundert einen Meinungskampf durch die Waffen zu ent— scheiden suchen? Das System der Erhaltung und das System des ruhigen Fortschritts widersprechen sich ja nicht unbedingt. — Also ward er, nicht durch freie Überzeugung, sondern durch die Übermacht der Ereignisse und durch die entsagende Versöhnlichkeit des Alters am Abend seines Lebens wieder zurückgeführt zu den gemäßigten Grundsätzen, mit denen er einst seine politische Laufbahn begonnen hatte. Gentzs Meinung fiel kaum mehr ins Gewicht, da er an den Geschäften nur noch geringen Anteil nahm und, wie Metternich sagte, nur noch Phantasie-Dienste leistete. Aber auch der Staatskanzler selbst war tief durchdrungen von dem Gefühle seiner Hilflosigkeit, obgleich er dem preußi- schen Gesandten gegenüber prahlte, Osterreichs Heer lasse sich schnell und leicht auf einen Bestand von 400 000 Mann bringen.“) Wie hart es ihm auch ankam, so erklärte er sich doch mit den preußischen Anträgen einverstanden; indes dachte er die Möglichkeit einer gemeinsamen Inter- vention noch nicht ganz aus der Hand zu geben und schlug daher vor, die vier Mächte sollten zu einem Kongresse zusammentreten oder mindestens in Berlin zur Beobachtung Frankreichs ein centre d'entente bilden. Auf eine solche unnütze Herausforderung der Franzosen wollte sich jedoch der preußische Hof nicht einlassen; die böse Erinnerung an den verhängnis- vollen Pillnitzer Kongreß lag gar zu nahe. Für den schlimmsten Fall hielt Metternich noch eine furchtbare Waffe bereit: den Herzog von Reichstadt. Er kannte die Furcht der Orleans vor dem großen Namen der Bonapartes; mehrmals gab er den befreundeten Gesandten, schließlich auch dem Tuilerienhofe selbst zu verstehen: wenn Frankreich die Verträge nicht achte, dann würde der Vierbund den Erben des Imperators zurück- führen..) Und wahrlich, der junge Napoleon hätte es an sich nicht fehlen lassen. Der Abgott aller Weiber, bildschön, frühreif, hochbegabt fühlte er *) Bericht von Brockhausen 11. 18. Aug., von Blittersdorff 4. Sept. 1830. *) Maltzahns Berichte 5. September 1830, 11. 16. Februar 1831.