Russische Kriegspläne. 41 sich ganz als den Sohn des Bändigers der Revolution. Nicht als ein Verschwörer dachte er sich die Krone seines Vaters zu erschleichen; als ein Fürst der Ordnung wollte er in Frankreich einziehen, gerufen von dem altkaiserlichen Heere, um den Sohn des Bürgers Egalité zu zer- malmen, den verächtlichen Thronräuber, der weder das legitime Recht noch den Volkswillen hinter sich hatte. In vollem Ernst hat Metternich so verwegene Gedanken nie gehegt; er spielte damit, wie ein Verzweifeln- der halb sehnsüchtig, halb entsetzt die Giftflasche betrachtet, denn unmöglich konnte er glauben, daß ein Napoleon je ein zuverlässiger Wächter der Wiener Verträge werden würde. Vorderhand war er ehrlich für den Frieden und bat den König von Preußen, er möge den Zaren für eine gemeinsame Erklärung der Mächte gewinnen, da Kaiser Franz leider das Vertrauen des russischen Selbstherrschers nicht besitze.“) Dort in Petersburg stieß die Friedenspolitik der beiden deutschen Mächte auf harten Widerstand. Zar Nikolaus war noch wie berauscht von den Erfolgen des Türkenkrieges, unüberwindlich erschien ihm sein Heer. Er wähnte sich stark genug, sogleich gegen die Revolution einzu- schreiten, stand doch seine polnische Armee wohlgerüstet dicht an der Grenze. Die peinliche Frage, ob diese Polen sich auch gegen das revolutionäre Frankreich schlagen würden, kam ihm gar nicht in den Sinn. Obwohl er den Verfassungsbruch Karls X. scharf verurteilte, so wollte er doch mit „dem fluchwürdigen Usurpator“ nichts gemein haben.*) Im ersten Zorne rief er alle Russen aus Frankreich zurück, verbot den Franzosen den Eintritt in sein Reich, verschloß der dreifarbigen Flagge die russischen Häfen. Nesselrode, der sich soeben in Karlsbad mit Metternich, dann in Berlin mit Bernstorff besprochen und die friedlichen Absichten der deutschen Höfe gebilligt hatte, fand daheim ungnädige Aufnahme; auch Pozzo di Borgo verlor das Vertrauen seines Monarchen, weil er sich freundlich zu den Orleans stellte. Jene unbedachten feindseligen Maßregeln gegen Frankreich nahm der Zar freilich schon nach einigen Tagen zurück.7) Aber die preußischen Vorschläge genügten ihm nicht: die Volkssouveränität anerkennen, das heiße das ganze System der Mächte untergraben; und was nütze es, von Ludwig Philipp die Anerkennung der Verträge zu fordern, wenn man sich auf sein Wort nicht verlassen könne? Endlich entschloß er sich, seinem königlichen Schwiegervater „einen glänzenden Beweis seines guten Willens zu geben“ und sendete den Feldmarschall Diebitsch zu weiteren Verhandlungen nach Berlin.]) *) Brockhausens Bericht, 23. August. **) K. Nikolaus an Grofßfürst Konstantin (mitgeteilt in dem Berichte des Gen. Konsul Schmidt, Warschau 25. August 1830). *““) Lieven an Bourgoing 13/15. August; Kaiser Nikolaus an Großfürst Konstantin 29. August 1830. WGalens Berichte, Petersburg 24. 26. August 1830.