Die Londoner Konferenzen. 51 Mächte dem Vorschlage Wellingtons zustimmten, dann stehe zu hoffen, daß England bei dem Vierbunde verbleibe und nicht mit Frankreich ge- meinsame Sache mache.) So konnte denn am 4. November die Londoner Konferenz zusammen- treten. Die Trennung der Niederlande erwies sich inzwischen mit jedem Tage deutlicher als eine vollendete Tatsache. Auch die Widerstrebenden begannen einzusehen, daß der Bestand zweier selbständiger, in sich einiger Mittelstaaten hier auf der wichtigsten militärischen Position Mitteleuropas immerhin mehr Dauer versprach und den Weltfrieden weniger bedrohte, als die künstliche Wiederherstellung des von inneren Gegensätzen zerrissenen Vereinigten Königreichs. Schon am Tage der Eröffnung der Beratungen schrieb Bernstorff: auf keinen Fall dürfe Belgien unter Frankreichs Ein- fluß geraten; dies sei das Wesentliche; daneben erscheine es als eine untergeordnete Frage, ob ein Statthalter, ein Vizekönig oder ein selb- ständiger Herzog in Brüssel gebiete.*) Der Gesandte in London, Wilhelm Humboldts Schwiegersohn Heinrich von Bülow befolgte die versöhn- lichen Weisungen mit Freuden. Auf den Konferenzen zeigte er sich als feiner Kopf und gewandter Unterhändler; die liberalen Vorurteile des Tages beirrten ihn nicht, nur jener Versuchung, welcher die lange im Auslande lebenden Diplomaten so leicht unterliegen, entging er nicht immer: er sah zuweilen unwillkürlich durch fremde Brillen und folgte den Ansichten der englischen Staatsmänner allzu weit. Auch Metternich war bereits zu der Einsicht gelangt, daß es nur noch gelte, die Herrschaft Frankreichs über Belgien zu verhindern. Zum Bevollmächtigten für die Konferenz ernannte er neben dem Gesandten Esterhazy den Freiherrn von Wessenberg, den Verfasser der deutschen Bundesakte, der im alten OÖsterreich als liberal verrufen und deshalb lange den Geschäften fern geblieben war; die Wiederberufung „dieses unbequemen Talents“ galt in der diplomatischen Welt als ein Beweis für die Verlegenheit des Wiener Hofes. **) Selbst die russischen Bevollmächtigten, Lieven und Matus- zewic, traten so versöhnlich auf, als es die Furcht vor dem grollenden Zaren nur irgend erlaubte. Die Hoffnung der Ostmächte, der alte Vierbund werde sich nun- mehr von neuem befestigen, ging gleichwohl nicht in Erfüllung. Noch im November kam das Torykabinett zu Falle, und sobald Lord Palmerston in die Konferenz eintrat, ward die längst vorbereitete Verschiebung der Allianzen sogleich offenbar; die beiden Seemächte — so lautete der diplo- matische Ausdruck der Zeit — stellten sich in herzlichem Einverständnis *) König Friedrich Wilhelm, Randbemerkungen zu Diebitschs Denkschrift vom 1./13. Okt. Kaiser Nikolaus an König Wilhem der Niederl. 13./25. Okt. Nesselrode an Alopeus 19. Okt. (a. St.) 1830. **) Bernstorff, Weisung an Bülow, 4. Nov. 1830. *““) Blittersdorffs Bericht, 6. Okt. 1830. 47