Krieg in Polen. 61 den: wäre man in Berlin meinem Rate gefolgt, so ständen heute das polnische Heer am Rhein, das russische an der Weichsel; und einem Ab— gesandten der Warschauer Regierung erwiderte er spöttisch: Ihr habt die Zeit schlecht gewählt, die Kriegsmacht des Kaisers rückt bereits nach dem Westen vor! Der Feldmarschall erhielt den Oberbefehl und hoffte schon im Februar unter den polnischen Empörern aufzuräumen; war dort die Revolution gebändigt, so sollte Preußen in den großen Kreuzzug für die Legitimität hineingerissen werden und im Mai das Heer des Türken— besiegers am Rheine eintreffen. Darum erging Marschbefehl an die Garden, die erst im März, also nach der erhofften Unterwerfung, in Polen anlangen konnten, auch die kaiserliche Feldequipage war schon unterwegs. Die Russen zogen freudig in den Kampf gegen die alten Feinde ihrer Nation; überall ging die Rede: den einzigen Lohn, den Rußland aus seinem siegreichen Kriege wider ganz Europa davongetragen hat, lassen wir uns nicht rauben. Sie grollten längst, weil dies eroberte Land größere Rechte genoß als die Eroberer selber; jetzt forderten sie laut die völlige Einverleibung des meuterischen Nebenreiches.) Nach- haltigen Widerstand befürchtete niemand; die meisten Offiziere der Garde erwarteten gleich dem Feldmarschall einen raschen Siegeszug bis zur Seine, und mancher sagte beim Abschied, erst aus Paris werde er heimschreiben. Der Übermut der Moskowiter sollte sich hart bestrafen. Durch die europäischen Kreuzzugspläne des Zaren wurde der polnische Feldzug schon in seiner Anlage verdorben, wie General Schöler warnend vorhersagte. Diebitsch begann den Krieg zu früh, mit ungenügenden Mitteln: um nur rasch fertig zu werden, führte er sogar die litauischen Truppen, deren Treue längst verdächtig war, gegen ihre polnischen Lands- leute ins Feuer.“) Das herrische Manifest, das vor ihm herging, verschärfte lediglich den Haß; auf dem Schlachtfelde vergaßen die Polen ihrer Zwie- tracht und bewährten überall den alten Mut. Als Diebitsch geradeswegs gegen Warschau vorgedrungen, bei Grochow auf dem alten Schlachtenboden des rechten Weichselufers die Polen geschlagen hatte (25. Febr.), da fühlte er sich nicht mehr stark genug, den Sieg zu benutzen, ganz wie einst König Friedrich Wilhelm II. im Jahre 1794; er wagte nicht, nach dem Rate seines kühnen Generalstabschefs Toll, den Brückenkopf der Hauptstadt, Praga zu stürmen und also mit einem Schlage den Krieg zu beendigen. Und ganz wie damals wendete sich das Blatt, sobald der günstige Augen- blick versäumt war. Das russische Heer mußte den Rückzug antreten, durch weglose Gelände bei unerwartet frühem Tauwetter; die Cholera wütete in seinen Reihen. Zu Ende März brachen die Polen, jetzt von dem tapferen Skrzynecki geführt, aus den Wällen Pragas hervor, schlugen — *) Schölers Bericht, 29. Januar 1831. *.) Schölers Berichte, 16. Januar, 22. März, 2. Mai 1831.