64 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede. reichs Hilfe und erbot sich, die Krone der Jagellonen irgendeinem Erz- herzoge, welcher es auch sei, zu verschaffen.“) Das alles war verlorene Mühe, obwohl die polnischen Blätter be- ständig von der günstigen Gesinnung des Wiener Hofes fabelten. Andert- halb Jahre früher, zur Zeit des Türkenkrieges, hätte Metternich die pol- nische Revolution vielleicht willkommen geheißen; jetzt, da er den Bund der Ostmächte wieder fester zu schließen suchte, war sie ihm nur „eine Revolution wie alle anderen“. Eine Hintertür hielt er sich freilich offen, indem er den k. k. Konsul Oechsner, zum Befremden des Zaren, während des Krieges in Warschau bleiben ließ; jedoch die Erwählung eines Erz- herzogs wies er als einen „absurden“ Gedanken kurzweg ab. Um seinen Abscheu kräftig zu bekunden, bereicherte er sogar das Wörterbuch seiner Angstsprache um eine sechste Metapher und nannte dies Polen „ein Pulvermagazin“, das alle Nachbarn in die Luft zu sprengen drohe. Auch Gentz, der alte Gegner Rußlands, mußte zugestehen, daß Österreich jetzt nicht viel anders handeln durfte als Preußen. In der Tat gab Kaiser Franz den Polen fast dieselbe Antwort wie König Friedrich Wilhelm; nur dem Fürsten Czartoryski, der bei Hofe wohlgelitten war, und einigen seiner Standesgenossen versprach man unter der Hand ein Asyl in OÖsterreich. Die galizische Grenze wurde stark besetzt und dem russischen Heere die Zufuhr von Lebensmitteln freundnachbarlich gestattet. Da die Ostmächte fest zusammenstanden, so konnte Zar Nikolaus sich jede Einmischung Frankreichs von Haus aus scharf verbitten. In hoffärtigem Tone schrieb Nesselrode nach Paris: „Wenn die Regierung des Königs Ludwig Philipp bisher scheinbar mit Ungeduld den rechten Augenblick erwartet hat, um Europa eine Bürgschaft der Sicherheit zu geben und sich das Vertrauen des Kaisers zu erwerben, so darf sie nicht versäumen, die gegenwärtige Gelegenheit weise zu benutzen. Ihre Würde wie ihr Interesse gebieten ihr dies zu tun.““*) Die herrische Mahnung fand willige Hörer. Ludwig Philipp wußte wohl, daß der völlig aus- sichtslose Versuch, in die polnischen Händel einzugreifen, nur den Feinden seines Hauses zu gute kommen konnte. Denn obwohl alle Parteien Frank- reichs für dies Belgien des Ostens, dies „liberale und katholische Volk, den natürlichen Bundesgenossen der Franzosen“ schwärmten, so zeich- neten sich doch die Republikaner und die verkappten Bonapartisten durch verdächtigen Eifer aus. Dieselben Blätter, welche den Grundsatz der Nichteinmischung als die Heilswahrheit neufranzösischer Freiheit priesen, forderten mit der unbefangenen Logik des Radikalismus die Einmischung zu Gunsten der Polen. Der greise Lafayette erhob in einer schwülstigen Erklärung feierlichen Einspruch gegen das Vorgehen der *) Maltzahns Berichte, 18. 28. Januar, 21 Februar, 4. September 1831. **) Nesselrode, Weisung an Pozzo di Borgo, 28. Nov. (a. St.) 1830.