68 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede. Mächte in Rom zusammentraten, um über die notwendigen Reformen im Kirchenstaate zu beraten. Am Berliner Hofe erregte das italienische Ränkespiel des Palais Royal lebhaften Argwohn. Ancillon, der für den erkrankten Bernstorff jetzt das Auswärtige Amt leitete, verhehlte dem französischen Gesandten nicht, daß der König Osterreichs Verhalten in Italien durchaus billige. Mit dem ganzen Wortschwall seines wohlgesalbten Predigerstiles tadelte er den zweideutigen Grundsatz der Nichteinmischung: „Man kann nicht oft und nicht mannigfach genug diese revolutionäre Doktrin bekämpfen, welche darauf hinausläuft, daß die Empörung die heiligste der Pflichten und niemand berechtigt ist, deren Ausübung zu stören; sie untergräbt die Unabhängigkeit der Souveräne in ihren Grundlagen, indem sie ihnen die Möglichkeit nimmt, ihre Verbündeten zu Hilfe zu rufen; sie würde die Maßregeln, welche die Regierungen im Interesse ihres Daseins und ihrer Selbsterhaltung für nötig halten, von der Genehmigung Frankreichs abhängig machen.““) Weitaussehende Verbindlichkeiten wollte der König seinem alten Grundsatze gemäß um Italiens willen nicht eingehen; er lehnte ab, als der Turiner Hof ihn bitten ließ, gemeinsam mit Oster- reich die Bürgschaft für Piemonts Sicherheit zu übernehmen. Nur zu wohlwollender Vermittlung war er gern bereit. Unter den Gesandten der Konferenz in Rom zeigte der preußische den größten Eifer. Bunsen hatte, seit er in Rom heimisch geworden, seine Vorurteile gegen das italienische Volk längst überwunden, er legte den Gesandten eine Denkschrift vor (21. Mai), welche von allen gebilligt und seitdem durch ein Menschenalter dem römischen Stuhle immer wieder als wohlgemeinte Mahnung seiner Beschützer vorgehalten wurde. Über die Nichtswürdigkeit dieses Priesterregiments, das sich seit dem Tode des milden Kardinals Consalvi nur verschlechtert hatte, war jedermann einig. Selbst Prokesch von Osten, der abgesagte Feind der Revolution, der in Metternichs Auftrag die Zustände der Romagna beobachten sollte, fand die Lage des Volkes ganz entsetzlich. Alle Höfe, auch der Wiener, wünschten aufrichtig das Gelingen der Reform; denn alle betrachteten den Kirchen- staat als eine europäische Notwendigkeit und hielten das Papsttum selber für verloren, falls seine weltliche Herrschaft unterginge. Bunsens Vor- schläge lauteten verständig und maßvoll: er verlangte Zulassung der Laien zu allen obrigkeitlichen Amtern, gewählte Räte für die Gemeinden und die Provinzen, dazu einen Rechnungshof, der durch Laien verstärkt den Unterschleifen der Priester endlich steuern sollte, und vielleicht noch einen Staatsrat. Aber wie konnte man hoffen, bei dem Papste auch nur diese bescheidenen Wünsche durchzusetzen? Der heilige Stuhl gab halbe Zusagen und hielt sie nicht, weil er sie nicht halten konnte. Jede reine *) Ancillon, Weisung an Maltzahn, 20. März 1831.