Münsters Sturz. 157 Ende zu machen, wählte der Arme die Begnadigung, obgleich er sich keiner Schuld bewußt war. Viele der Studenten betrachteten den Einzug der Truppen mit Selbstgefühl und rühmten sich: das ist schon gut genug, daß wir so viele Soldaten auf die Beine gebracht haben; durch die vorläufige Schließung der Universität wurden sie indes alle schwer bestraft. Die großen Tage der Georgia Augusta waren dahin, niemals konnte sie ihren alten aristokratischen Glanz wieder erlangen. Wohl mochte Jakob Grimm über diesen „dürren und widerwärtigen Aufstand“ klagen; dem Lande brachte der kindische Spuk doch Segen, denn er öffnete dem Generalgouverneur die Augen, den Bürgern die Lippen. Der gutmütige Herzog entdeckte mit einem Male, wie wenig er die Zu- stände gekannt hatte; er bereiste das Land, hörte in Münden die bitteren Klagen der zinspflichtigen Bauern, ließ sich von den Clausthaler Berg- leuten in rührsamen Versen schildern: wie schlecht man jetzt auf dem Harze lebt und mit tränenvollem Herzen trocknes Brot halb kalt genießt. Zugleich liefen aus Lüneburg, „der Erbstadt des Reichs“, und vielen an- deren Städten Bittschriften ein, die allesamt „eine freie Volksvertretung“ forderten; „so gewiß ein Gott über uns alle wacht“, schrieb der radikale Advokat Gans in Celle, „so gewiß wird auch für sämtliche Staaten Europas diese Herrlichkeit, diese Krone aller Wohlfahrt aufgehen.“ Hier wie in Sachsen verkettete sich mit der Volksbewegung ein Parteikampf innerhalb der Regierung. Der Minister Graf Bremer, Kabinettsrat Rose und die anderen arbeitenden bürgerlichen Räte waren es längst müde, von der Deutschen Kanzlei in London gegängelt zu werden, sie beschlossen, sich an den Monarchen zu wenden; aber noch ehe ihre Ver- trauensmänner bei Hofe eintrafen, hatte König Wilhelm schon den Vor- stellungen des Herzogs von Cambridge nachgegeben und die Entlassung des Grafen Münster verfügt (12. Februar). Die unheilvolle Doppel- regierung konnte freilich, solange die Fremdherrschaft bestand, nicht gänzlich verschwinden; an Münsters Stelle trat Ludwig von Ompteda, jener treue Mann, der in den napoleonischen Tagen so rastlos für die Befreiung Deutschlands gearbeitet hatte, ein ehrenhafter Aristokrat von gemäßigten Grundsätzen. Indes der Schwerpunkt des Regiments lag fortan in Han- nover, der Herzog wurde zum Vizekönig erhoben und mit erweiterter Voll- macht ausgestattet. Der Schöpfer der Welfenkrone ertrug seinen Sturz mit unverhohlener Entrüstung; die glänzenden Ehren, mit denen ihn der freundliche Monarch zum Abschied noch auszeichnete, vermochten nicht, ihn über den welfischen Undank, der doch fast unvermeidlich war, zu trösten. Auf Dr. Königs Schmähungen antwortete er mit einer „Erklärung“, die noch einmal das unermeßliche Selbstgefühl des welfischen Staatsmannes bekundete: nichts,