176 IV. 2. Die konstitutionelle Bewegung in Norddeutschland. haushalt, da sie das Defizit fünfmal höher schätzten, als die Regierung angab. Zwischen dem Herzog von Augustenburg, dem harten Aristokraten, und den bäuerlichen Abgeordneten Schleswigs kam es auch schon zu lebhaften Wortgefechten, welche den verhaltenen Parteihaß erraten ließen. Ernste Kämpfe brachte aber erst die zweite Tagung im Jahre 1838, als die dreisten Übergriffe der Kopenhagener Demokratie das Selbstgefühl der Deutschen geweckt hatten. Auf den Vorschlag des jungen Anwalts Orla Lehmann, eines feurigen, rücksichtslosen Demagogen, beschloß die dänische Gesellschaft für Preffreiheit (1836), ihre Tätigkeit auch auf Nord- schleswig zu erstrecken. Überall im Norden der Schlei bildete sie ihre Zweigvereine. Bald darauf ward die Schleswigsche Gesellschaft zur Ver- breitung dänischer Bücher gegründet. In der deutschen Stadt Hadersleben erschien ein dänisches Blatt Dannevirke, das schon durch seinen Namen den Kampf um die Eidergrenze ankündigte. Seitdem begann ein unruhiges Drängen und Treiben auf dem flachen Lande Nordschleswigs. So viele Jahrhunderte hindurch redete dies Grenzvolk im Hause seinen dänischen Dialekt, den die Inseldänen kaum verstanden, und ehrte das Deutsche als die Sprache der Bildung und des großen Verkehrs; niemand nahm Anstoß an einem Zustande, der sich ohne jeden Zwang aus der Geschichte des Landes herausgebildet hatte. Jetzt wurde den friedfertigen Bauern Nordschleswigs Tag für Tag der Haß gegen die deutschen Unterdrücker durch die Zeitschriften und Sendboten der Kopenhagener gepredigt, und bald zeigte sich auch hier, wie übermächtig der nationale Gedanke in diesem Zeitalter herrschte, das sich im Streite gegen das napoleonische Weltreich seinen Charakter gebildet hatte. Eine von außen hereingetragene nationale Propaganda genügte, um einen gefährlichen Gegensatz von Nord und Süd hervorzurufen in diesem Schleswig, das zu allen Zeiten, auch in seinen Kämpfen wider Dänemark, treu zusammengeblieben war. Im Sundewitt vornehmlich, dicht vor den Toren der deutschen Stadt Flensburg, trugen die Bauern ihre Begeisterung für Gammel Dannemark herausfordernd zur Schau. Diese Umtriebe der Dänen nötigten die Deutschen endlich zur Ab- wehr. Auf beiden Landtagen, in Schleswig wie in Itzehoe wurde die Bitte um Vereinigung der schleswig-holsteinischen Landstände, die vor drei Jahren noch zu kühn erschienen war, jetzt beschlossen. Aber noch fehlte viel daran, daß die deutsche Gutmütigkeit den ganzen Umfang der Gefahr erkannt hätte. Als der Abgeordnete Lorentzen, ein beredter, liberaler Bauer aus Nordschleswig, die Einführung der dänischen Gerichtssprache in den dänisch redenden Bezirken Schleswigs befürwortete, da fand selbst Falck den Vorschlag unverfänglich; der arglose Gelehrte ahnte nicht, wie unheimlich das Stilleben seiner nordschleswigschen Heimat in den letzten Jahren sich verändert hatte. Vergeblich warnte der Herzog von Augusten- burg, der diesmal weiter sah. Der Antrag wurde mit geringer Mehrheit