194 IV. 3. Preußens Mittelstellung. rarischer Widersacher entgegengetreten war, und als der Pariser Messager (Februar 1831) ihn einen Führer der preußischen Linken nannte, hielt er sich verpflichtet, öffentlich ein Zeugnis abzulegen für die königliche Gesin— nung der Preußen. „Ihre Ausdrücke: rechte und linke Seite, linkes und rechtes Zentrum“ — so antwortete er — „sind unsern Verhältnissen völlig fremd. Wir haben seit dem Tilsiter Frieden reißende Fortschritte gemacht, und das ohne Revolution, ohne Kammern, ja selbst ohne Preßfreiheit; aber immer das Volk mit dem König und der König mit dem Volk. Müßte man nun nicht seiner gesunden Sinne beraubt sein, um zu wähnen, wir würden von nun an besser vorwärts kommen mit einer Revolution? Darum bin ich auch meinesteils sehr sicher, immer auf der Seite des Königs zu sein, wenn ich auf der Seite der einsichtsvollen Männer des Volkes bin.“ Das liberale Pariser Blatt unterschlug diese Erwiderung, und als sie dann in einer Berliner Zeitung erschien, da schimpfte die süddeutsche liberale Presse auf die Knechtsgesinnung des preußischen Hof- pfaffen, der die unwissende Anmaßung der Franzosen so würdig zurück- gewiesen hatte. Zum Schrecken Metternichs wurde nunmehr auch Wilhelm Humboldt in den Staatsrat zurückberufen. Eben in den Tagen da die ersten Schreckensnachrichten aus Paris eintrafen, hatte er das neue Museum der öffentlichen Benutzung übergeben. Der König zeigte sich hoch er- freut über die sinnige Auswahl der Gemälde, über die schönen, von Rauch meisterhaft restaurierten antiken Bildwerke, und er beschloß auf Hum- boldts Vorschlag, die Erweiterung der Sammlungen nicht einem Manne, sondern einer Kommission von Künstlern anzuvertrauen. Sein dank- bares Herz drängte ihn aber auch, das alte Unrecht aus den Karlsbader Tagen zu sühnen, zumal da der Kronprinz und Witzleben sich des Ge- kränkten eifrig annahmen. Politisch bedeutete diese Ernennung jetzt nur noch wenig. Humboldt lebte der Welt entfremdet; immer wieder klangen ihm die Worte durch den Sinn, die ihm einst seine Gattin in Sorrent zugerufen: Was in Liebe war verbunden, Treu in Liebe ward erfunden, Findet sich im Weltenall. Seine Gedanken galten dem dunklen Jenseits, das er sich doch, wie alle großen Köpfe, mit dem Diesseits fest verknüpft dachte, und da er in dem mäch- tigen Gewebe der Geschichte die Personen und die allgemeinen Ereignisse als Zettel und Einschlag, die Personen aber als die entscheidende Macht ansah, so kam ihm schließlich alles darauf an, welche geistigen Kräfte der Mensch aus dieser Welt mit sich fortnehme: „ich kann es nicht für gleich- gültig halten, ob man vor dem Dahingehen zur wahren Klarheit des im Leben in Ideen Erstrebten gelangt oder nicht.“ Diese Hoffnung auf die Ewigkeit des Schauens und Erkennens nahm seine Seele ganz ein; was