Die Radikalen im Elsaß. 227 scharten sich freudig, neuen Kriegsruhms gewärtig, um die wiederaufge— richtete Trikolore. Sofort ward nun den badischen Nachbarn die Herrlich— keit französischer Bürgerfreiheit angepriesen. Der Straßburger „National- gardist Gradaus“ schilderte dem Bauer Vetter Michel die Wunder der neuen Zeit in jenem behaglichen Biedermannstone, der seit Hebels Volks- kalendern den Badenern geläufig war. Dann erschien der „Widerhall deutscher Volksstimme in Grüßen an das deutsche Vaterland“, ein Libell voll wütender Anklagen gegen die „Spürnasen und gefütterten Hunds- naturen“ der Fürsten, gegen „das servile Korps einexerzierter Potsdamer Kamaschenknechte“, das an den Grenzen Polens stehe, statt „im Staube knieend den größten aller Soldaten, Kosciuszko“, zu verehren — und so weiter eine ganze Reihe wüster Brandschriften, zumeist aus dem Verlage von Silbermann in Straßburg. Der König von Württemberg erfuhr bald durch seine wachsame Polizei, daß in Straßburg ein geheimes Re- volutionskomitee bestand, das allwöchentlich zwei Boten nach Karlsruhe und Stuttgart sendete; er befahl aber, „dem Winter nichts zu sagen“, weil er ihm nicht über den Weg traute.“) Der Straßburger Niederrheinische Kurier brachte eine Beilage „das konstitutionelle Deutschland“, die, offenbar zur Aufwiegelung des deutschen Südens bestimmt, von dem jungen Stralsunder Cornelius geleitet, durch badische und pfälzische Radikale mit Beiträgen versorgt wurde. Hier erklang wieder das alte Rheinbundslied, nur in neuer Tonart, zu Ehren deutscher Macht und Herrlichkeit: „Gebt Deutschland eine Verfassung, die es zur sechsten Großmacht erhebe. Laßt Preußen und Osterreich, deren Interessen nicht die unseren sind, ihre eigenen Bahnen gehen, aber vereinigt euch zu einem einzigen, herrlichen und mächtigen Volke“ unter einem auf Zeit gewählten Oberhaupte und Reichsständen. Auch die französischen Zeitungen, zumal die bonapartistische Révolution ver- standen klüglich bald dem Einheitsdrange der Deutschen zu schmeicheln und die schmähliche, allein durch die kleinen Tyrannen verschuldete Zersplitterung des großen deutschen Vaterlandes zu verhöhnen, bald für sich die natürlichen Grenzen zurückzufordern: dann werde „Frank- reich durch eine heilsame, großmütige Einmischung, nötigenfalls mit den Waffen, den Kampf der beiden großen Staatsgedanken zu Gunsten der Völker entscheiden.“ Bei so frischem Westwinde mußten dem badischen Liberalismus wohl die Segel schwellen. Unter Rottecks und Itzsteins gewandter Führung hatte sich die geschlagene Partei in der Stille gesammelt, und bei den Landtagswahlen, die auf Winters ausdrücklichen Befehl völlig unbelästigt blieben, errang sie einen glänzenden Sieg. Die neue zweite Kammer, die *) K. Wilhelm, Weisung an Bismarck, mitgeteilt in Arnims Bericht, Karlsruhe 25. Jan. 1831. 157