Die Wiener Ministerkonferenzen. 337 Metternich erst nach der Münchengrätzer Zusammenkunft am 5. Oktober abgesendet wurde. Das Zirkular lud die leitenden Minister der größeren Bundesstaaten zu einer Besprechung ein, um den „immer drohender wer- denden Übeln der Zeit“ zu begegnen, und sprach die bestimmte Meinung aus, daß dazu die gehörige Anwendung der bestehenden Bundesgesetze genügen werde. Sobald diese Einladung ruchbar ward, witterten die Liberalen sogleich wieder Petersburger Umtriebe, und Palmerston, der eben damals den Frankfurter Senat gegen den Bundestag aufwiegelte, ver- sicherte mit leichtfertiger Dreistigkeit, diese deutschen Ministerkonferenzen seien ebensosehr ein russisches als ein österreichisches Werk. Möglich immerhin, daß Metternich in Münchengrätz seine Pläne mit dem Zaren besprochen hat, da er sein Rundschreiben so auffällig spät absendete; Preußen aber erließ seine Einladung, noch bevor Nikolaus den deutschen Boden betreten hatte. Auch an den Konferenzen selbst nahm die russische Diplomatie nicht einmal mittelbar irgend einen Anteil; erst nach dem Schlusse der Beratungen empfing der Zar eine Mitteilung über die Ergebnisse, was sich unter so nahe befreundeten Höfen von selbst verstand.) Die Spitze der geplanten Ministerversammlung war offenbar gegen die Landtage gerichtet, obgleich auch die beiden anderen Lieblinge der Hofburg, die Universitäten und die Zeitungen wieder ihr Teil erhalten sollten; denn da die revolutionären Verschwörungen der jüngsten Zeit sich fast aus- schließlich im konstitutionellen Deutschland zeigten, so schloß Metternich, daß sie in dem Repräsentativsysteme ihre Wurzeln hätten, und hoffte, durch eine verabredete gemeinsame Politik der Höfe die neuen Verfassungen, die man doch nicht mehr beseitigen konnte, mindestens in ihrer Wirksam- keit zu hemmen. Die kleinen konstitutionellen Regierungen durchschauten diesen Plan und gerieten wieder einmal in ratlose Verlegenheit; Schutz gegen ihre Landtage wünschten sie allesamt, aber vor einem Bruche ihres Ver- fassungseides schraken die meisten zurück, und ihre Souveränität wollten sie sich nicht durch den Bund beschränken lassen. Sie fühlten sich um so mehr beängstigt, da sie über den Zweck der Konferenz durchaus keinen sicheren Aufschluß erlangen konnten. Das wollen wir von euch erfahren, ant- wortete man in Wien wie in Berlin; die konstitutionellen Minister sollen ihre Klagen über die Mißstände des Repräf entativsystems vorbringen, dann wird beschlossen werden, wie dem Übel abzuhelfen sei. Als der sächsische Minister Lindenau im Herbst in Geschäften des Zollvereins den Münchener und den Stuttgarter Hof besuchte, fragte er zugleich vertraulich an, was wohl auf den Konferenzen zur Beschützung der Landesverfassungen geschehen könne. Man kam jedoch zu keiner Vereinbarung, da die Ansichten über die unlösbaren Rätsel des Bundesrechts, zumal über die rechtmäßigen *) Brockhausens Bericht, 17. Juni 1834, mit Randbemerkung des Königs. v. Treitsch ke. Deutsche Geschichte. IV. 22