348 IV. 5. Wiederbefestigung der alten Gewalten. Warnungen fanden taube Ohren. Die kleinen Kronen wußten wohl, daß in Wien nur eine Halbheit, eine Unwahrheit beschlossen war. Der Bun- destag mußte sich bequemen, die Artikel über das Bundesschiedsgericht in Gestalt eines Bundesgesetzes zu veröffentlichen (30. Oktober 1834). Aber dies von allen amtlichen Blättern pomphaft angepriesene Tribunal trat bis zum Jahre 1848 nie in Tätigkeit; denn die konstitutionellen Fürsten zogen sämtlich vor, ihre schwarze Wäsche daheim zu waschen, statt den immer verdächtigen Schiedsspruch des Bundes anzurufen, und als die kurhessischen Stände einmal um Einberufung des Bundesschiedsgerichts baten, wies sie der Bundestag selber ab. Nachher wurden auch die Artikel über die Universitäten und über die Aktenversendung als Bundesgesetze verkündigt. Alles übrige blieb, wie beschlossen war, tief geheim, und die Frankfurter Gesandten klagten bitterlich, wie schmählich man den Bundestag wieder einmal an die Wand gedrückt habe. Die Nation aber konnte in diesem undurchdringlichen Geheimnis nur ein Zeichen bösen Gewissens sehen, sie glaubte tolle Märchen über die Wiener Teufeleien. Als endlich, nach beinahe zehn Jahren, Welcker das Schlußprotokoll herausgab, da schoben die längst auf das Schlimmste gefaßten Leser allen Artikeln, auch den harmlosen oder nichtssagenden, einen so argen Sinn unter, daß die Wiener Konferenz einen nur halb verdienten höllischen Ruf erlangte. Erst nach einem vollen Menschenalter (1865) hat F. von Weech alles wesentliche aus den Protokollen veröffentlicht. Die verfassungstreuen konstitutionellen Minister gelangten allesamt bald zu dem stillen Entschlusse, es mit der Ausführung der Wiener Ver- einbarungen nicht sehr genau zu nehmen. Lindenau in Dresden erklärte dem preußischen Gesandten aufrichtig: die zu Bundesbeschlüssen erhobenen Artikel werden wir streng ausführen, die anderen auch — wenn unsere Kammern nicht widersprechen. Die Reaktionäre aber grollten. Seit den Wiener Konferenzen weiß ich, sagte der Herzog von Nassau, daß Öster- reich in Deutschland nicht mehr die Initiative ergreifen kann, ich sage mich los von dem österreichischen Systeme.') Und du Thil suchte noch nach Jahren den letzten Grund der Revolution von 1848 in der Untreue jener liberalisierenden Minister, welche das Wiener Schlußprotokoll zum toten Buchstaben gemacht hätten. Ebenso schwermütig, aber unbefan- gener urteilte Münch-Bellinghausen. Er sagte: die Konferenzen haben nur ein halbes Ergebnis gebracht, denn die Richtung, welche Deutschland seit der Juli-Revolution eingeschlagen, ist nicht mehr aufzuhalten.) So stand es wirklich. Es war gelungen, den offenen Aufruhr zu bändigen, auch den Ruf nach Preßfreiheit und viele andere wohlberechtigte Forderungen der Zeit vorläufig abzuweisen. Aber die neuen parlamen- *) Blittersdorffs Bericht, 21. Febr. 1835. *“) Blittersdorffs Bericht, 27. Okt. 1834.