Bekehrung der sächsischen Höfe. 355 Regierung glaubte ihre Wünsche in Berlin sicherer durchsetzen zu können, wenn sie an dem Gespenste des mitteldeutschen Vereins noch einen Rück- halt hätte; sie begann mit Preußen zu verhandeln, noch bevor sie ihrer älteren Verpflichtung entbunden war. Nachdem das Dresdner Kabinett schon im August 1830 bei den süd- deutschen Kronen leise angefragt, mußte sich der alte König Anton endlich entschließen, an den König von Preußen selber zu schreiben. Er beteuerte, daß er längst die Absicht gehabt, mit Preußen in kommerzielle Verbindung zu treten „und somit im Sinne des hochwichtigen und wohltätigen Zwecks zu handeln, dessen Erreichung von Ew. Majestät bereits seit längerer Zeit beabsichtigt wird. Daß diese Verhandlung von Preußen begonnen und eingeleitet werde, scheint die notwendige Bedingung des Erfolges zu sein.“ Lindenau, der im Januar 1831 dies Handschreiben nach Berlin brachte, überreichte zugleich eine Denkschrift, worin Sachsen den Entschluß aus- sprach, die Auflösung des mitteldeutschen Vereins durchzusetzen, „da Ver- anlassung, Zweck und Grund des Vereins nicht mehr vorhanden sind. Das Bedürfnis einer bewegten Zeit, die Zuversicht, durch den Antritt einer solchen Verhandlung die aufgeregten Gemüter am sichersten zu beruhigen, endlich die Hoffnung, daß ein solcher die Mehrzahl der deutschen Bundes- staaten umfassender Verband auch auf die größeren Weltereignisse einen friedlich besänftigenden Einfluß äußern könne,“ ermutigten den sächsischen Hof, die Verhandlungen in Berlin zu beginnen.) Noch kläglicher war die Demütigung Weimars. Derselbe Minister Schweitzer, der seit Jahren das preußische Zollsystem als den Todfeind deutscher Handelsfreiheit bekämpft hatte, versicherte im Juli 1830 dem Aus- wärtigen Amte: „daß zur Förderung des von dem König von Preußen begonnenen, in seinen Zwecken und seinen Gründen immer klarer hervor- tretenden deutschen Werkes, also zur Förderung eines freien Handels und Verkehrs im deutschen Vaterlande von Preußen aus, der Großherzog von Weimar im Einverständnis mit dem Königreich Sachsen mit Vergnügen die Hand bieten wird.“ Dann sang der weimarische Minister Fritsch die Totenklage des Sonderbundes: „Auf hinreichende Zeit zur Ausbildung des Vereins ist nicht mehr zu rechnen, nachdem die großen welthistorischen Ereignisse seit dem 25. Juli 1830 und deren Folgen auf deutschem Boden eine weit schleunigere Hilfe notwendig gemacht, man kann sagen, die übel, welche als chronische behandelt werden sollten, in akute verwandelt haben. Nur Schaden, nur Verderben könnte es bringen, wenn man sich unter solchen Umständen noch gegenseitig beschränken, sich zum Nichtstun verpflichtet halten wollte in einer Zeit, welche in allen öffentlichen Dingen ganz andere Forderungen stellt. Was uns die Jahre 1829 und 1830 genommen und gebracht haben, ließ sich im Jahre 1828 nicht voraussehen, *) König Anton von Sachsen an König Friedrich Wilhelm, 29. Dez. 1830. Lin- denaus Denkschrift über die Handelseinheit, 4. Jan. 1831. 237