356 IV. 6. Der Deutsche Zollverein. nicht vorausahnden. Der Kasseler Verein war und bleibt ein bedeutendes Unternehmen, nicht ohne Folgen. Es wird den Stiftern desselben ein ge- rechtes Urteil in der Geschichte umso weniger entgehen, je bereitwilliger sie jetzt das Geständnis ablegen und betätigen, daß eine ganz neue Zeit uns gekommen ist.“7) Friedrich Wilhelm antwortete dem Könige von Sachsen sehr freund- lich, er sei bereit, Sachsens Anträge zu erwägen, und sprach sich zugleich offen aus über die nationalen Ziele seiner Handelspolitik: „Wiewohl der Abschluß dieser Verträge stets nur mit einzelnen Staaten erfolgte, so hatte man dennoch dabei nicht ein ausschließliches Interesse der unmittelbar Beteiligten im Auge, sondern man verfolgte zugleich den Gesichtspunkt, daß die einzelnen Verträge als Mittel dienen möchten, der Freiheit des Verkehrs in Deutschland überhaupt eine größere Ausdehnung zu geben.“ Dem weimarischen Hofe drückte der Minister des Auswärtigen seine Freude aus, daß unser Werk auch in den Augen Weimars „immer klarer als ein deutsches Werk hervortritt“; dann wiederholte er in schneidenden Aus- drücken die hundertmal von Preußen ausgesprochene Ermahnung: die Thü- ringer sollten sich erst unter sich verständigen, bevor Preußen mit ihnen verhandeln könne.“) Nach solchen Erfolgen stand in Berlin fester denn je die Überzeugung, daß der eingeschlagene Weg der Einzelverhandlungen allein zum Ziele führe. Mit voller Sicherheit schrieb Bernstorff dem Könige: „Die Schöpfung eines allgemeinen deutschen Zoll= und Handelssystems oder irgend einer anderen bleibenden Institution ähnlicher Natur ist eine Aufgabe, deren Lösung dem Bunde so lange unmöglich bleiben wird, als derselbe nicht eine andere, von der jetzigen ganz verschiedene Organisation besitzt.“ Seit dem Zer- falle des mitteldeutschen Sonderbundes schien die Bahn frei für die voll- ständige Vereinigung der beiden befreundeten Zollvereine des Südens und des Nordens. Was sollte jetzt noch hindern, da beide Teile die Unhalt- barkeit des bestehenden Zustandes lebhaft empfanden? da die zwischen- liegenden Staaten nicht mehr feindlich im Wege standen, sondern selbst um ihre Aufnahme baten? da das Grundgesetz des preußisch-hessischen Vereins sich von selber darbot als die Regel für den großen Verein? Und dennoch mußte Preußen wieder und wieder durch den Flugsand waten, der im Wüstenwinde der deutschen Kleinstaaterei emporwirbelte. Fast drei Jahre lang, von 1830 bis 1833, spielte in Berlin, vielfach unter- brochen, eine dreifache Reihe mühseliger Verhandlungen: mit Bayern- Württemberg, mit Sachsen, mit den thüringischen Staaten; und das Ge- schäft wäre nie zum Abschluß gelangt, wenn man nicht, dem alterprobten — — ———— —„— — *) Schweitzer, Schreiben an das preuß. Min. d. A. A., 25. Juli 1830. Fritsch, Schreiben an das sächs. Min. d. A. A., 31. März 1831. **) König Friedrich Wilhelm an König Anton von Sachsen, 24. Jan. 1831. Bern- storff an das Staatsministerium in Weimar, 22. Okt. 1830.