398 IV. 6. Der Deutsche Zollverein. haupteten, sind leider auf solche Lockungen eingegangen.) Der Prahler log mit Bewußtsein; er wußte wohl, daß Preußen weder in Nassau noch an irgendeinem anderen Hofe Anträge gestellt hatte. Dabei ward die Lage von Tag zu Tag unhaltbarer. Das Ländchen war jetzt rings von Zollvereinsgebiet umschlossen; die Verwilderung des Volkes durch den frechen Schmuggel begann in Biebrich Besorgnisse zu erregen. Marschall sagte oft stolz: Die Stellung an dem freien Rhein verbürge dem Nassauer Reiche seine handelspolitische Unabhängigkeit für ewige Zeiten. Auch dies war eine bewußte Lüge. Denn allein Preußens Langmut gestattete dem Nassauer Despoten noch eine selbständige Handelspolitik; sobald Preußen wollte, konnte das Enklavensystem auf Nassau angewendet und der Bieb- richer Hof in dieselbe Notlage versetzt werden wie einst der Köthener. Wie ließ sich der unvermeidlichen Unterwerfung ausweichen? Offen- bar nur durch Anlehnung an das Ausland, an den altbewährten treuen Beschützer der Kleinstaaterei. Seit Jahren wiederholte Graf Fenelon die Versicherung, Frankreich sei bereit, die günstigsten Handelsverträge mit den Kleinstaaten zu schließen, wenn sie nur dem preußischen Handelsbunde fern bleiben wollten. Der Herzog war freilich strenger Legitimist, wollte nichts hören von einer Verbindung mit dem Bürgerkönige. Da kam eine Verlegenheit seiner Domänenkasse den Lockrufen des französischen Ge- sandten zu Hilfe. Unter den Einnahmen des Dominiums, dessen In- teressen die Handelspolitik Nassaus allein bestimmten, stand obenan der Ertrag der Mineralwasser; die Nassauer Staatsgelehrten sprachen sogar von einem Wasserregale, kraft dessen die kostbaren Quellen von Rechts wegen dem Landesherrn gehören sollten. Nun hatte Frankreich vor einigen Jahren den Zoll auf fremde Mineralwasser erhöht, die herzoglichen Brunnen schwer geschädigt. Doch Marschall war nicht umsonst der Freund Rothschilds; er verfiel auf den schlauen kaufmännischen Gedanken, ob Nassau nicht von Frankreich die Herabsetzung dieses Zolls erbitten und dafür versprechen sollte, einige Jahre lang jedem Zollvereine fern zu bleiben. Vor der angenehmen Aussicht auf erhöhte Einnahmen mußte der Widerspruch des legitimistischen Herzogs verstummen; der Minister aber erhielt einen festen Rückhalt im Kampfe gegen Preußen, er konnte, auf die Vertragspflicht gegen Frankreich verweisend, den Anschluß an den Zollverein noch jahrelang hinausschieben. Im Sommer 1833 verhandelte Geh. Rat Fabricius in Paris wegen dieses Planes. Am 19. Sept. kam der französisch-nassauische Handels- vertrag zustande, der schmutzigste unter allen Verträgen der Zollvereins- geschichte und darum auch streng geheim gehalten; erst im Jahre 1866 hat Karl Braun das Aktenstück veröffentlicht. Der Wortlaut klang harmlos, wie üblich bei Gaunergeschäften. Frankreich versprach Begünstigung der —à *) Marschall an Fabricius, 25. Sept. 1833.