456 IV. 7. Das Junge Deutschland. Plan zu einem dritten großen Bilderzyklus, der die beiden ersten noch überbieten sollte, zu einem christlichen Epos, einer gemalten Göttlichen Komödie. Vieles von dem Entwurfe ward durch den Bauherrn gestrichen; was übrig blieb, war noch gewaltig genug, und vor allem in dem Bilde des Jüngsten Gerichts, dem größten Freskobilde der Welt, hoffte der Künst- ler den Geist des geläuterten Christentums auszusprechen. Ein Viertel- jahrhundert zuvor, als er noch in Rom mit den jungen Nazarenern schwärmte, wäre ihm vielleicht ein Werk gelungen, so einfach streng, so tief gläubig wie Memlings Danziger Bild; doch seitdem war er auf einem weiten Bildungsgange durch die Welt des Faust, der Nibelungen, des Homer, durch das ganze Gebiet der Kunstgeschichte hindurchgeschritten. Wie konnte er noch mit ganzer Seele in einer Vorstellung leben, die unter allen christlichen Mythen der Gegenwart am unbegreiflichsten bleibt? — denn so gewiß das Gefühl der Verantwortlichkeit vor Gott mit der reifenden Gesittung sich verschärft, ebenso gewiß muß die Trennung der Böcke von den Schafen und die sinnliche Ausmalung der Höllenstrafen einem men- schenkundigen, gebildeten Jahrhundert kindlich erscheinen. An diesem Ana- chronismus scheiterte auch Cornelius' Genie. Sein Werk ward frömmer, reicher an religiösem Gefühle als die verwandten Gemälde des Michel- angelo und Rubens, die beide nur einen Titanenkampf schilderten, und er- reichte ebendeshalb weder die dämonische Erhabenheit des einen noch die sinnliche Kraft des anderen. Selbst sein oft bewährtes Kompositions- talent, seine wunderbare Gabe, in wenigen Gestalten ein großes Ereignis erschöpfend darzustellen, verleugnete sich diesmal; das Bild zerfiel in Grup- pen, einzelne Gestalten der Engel und der Seligen offenbarten noch die alte Größe, der Höllenfürst aber und seine Teufel erweckten kein Grausen. Es schwebte ein Unstern über dem ganzen Unternehmen, das fröhliche Künstlertreiben, das einst die Malergerüste der Glyptothek mit seinem Lärm erfüllt hatte, erneuerte sich nicht in der Ludwigskirche. Der königliche Bau- herr aber konnte seine Enttäuschung nicht bergen, als er das mißlungene, mangelhaft gemalte Bild betrachtet hatte; er meinte scharf: „Ein Maler muß malen können.“ Die Zeit war längst dahin, da Kronprinz Ludwig einst bescheiden zu Tieck gesagt hatte: „Heiße auch Ludwig. Große Ehre für mich, ebenso zu heißen, wie ein ordentlicher Dichter.“ Seit er die Krone trug, war sein Selbstgefühl hoch gestiegen; sogar als Künstler glaubte er seinen Malern und Bildhauern gewachsen zu sein, da seine unglück- lichen Gedichte so viel schmeichelnde Bewunderer fanden. Cornelius war nicht der Mann, sich eine schnöde Behandlung bieten zu lassen. Bald nach jenen Außerungen königlicher Ungnade verließ er München für immer, und mit ihm verschwand auch seine Schule. Das hohe Pathos seines Idealismus genügte der verwandelten Zeit nicht mehr. Schon während seiner Münchener Herrschaft hatten einzelne der jungen Künstler ihre Eigenart tapfer behauptet. Peter Heß und der fröhliche Lands-