Berliner und Münchener Baukunst. 463 setzen der Schönheit vertragen sollten, und begreiflich, daß ihm die Ant— wort dann am glücklichsten gelang, wenn er zu südländischen Formen griff. Die kirchliche Gotik lag diesem protestantischen Hellenen fern; in dem nüchternen Bau der Werderschen Kirche war von der himmelanstrebenden, überschwenglichen Mystik des gotischen Stiles wenig zu spüren. Uner- schöpflich arbeitete Schinkels Phantasie, wenn er ein Schloß mitten in einen grünen Park hineinstellen sollte; denn darin empfand er ganzgermanisch, daß er die höchste Schönheit nur da erkannte, wo sich die Werke der Menschen- hand unmittelbar in die Fülle der Natur einfügten. Nur wenige dieser Bauten — so die liebliche Villa Charlottenhof — wurden noch von ihm selbst, andere — so die Schlösser Babelsberg und Camenz -erst später- hin von fremder Hand ausgeführt; die meisten aber blieben Entwürfe, auch der märchenhaft schöne Plan für das Schloß Orianda. Am Berliner Opernplatze wollte er die Bibliothek einreißen und dem Prinzen Wilhelm ein herrliches Terrassenschloß bauen; doch die beschränkten Mittel des Prin- zen reichten nicht von fern aus, und Schinkel mußte sich darein ergeben, daß sein Freund Langhanns an der schmalen Ecke des Platzes einen edlen, aber überaus bescheidenen kleinen Palast ausführte. Nur ein kleiner Bruchteil seiner ungeheuren Kraft brachte dem deutschen Leben Frucht. Bis in die Zeiten der Revolution hinein ließ sich die Nachwirkung seines Genius noch an den neuen Kirchen und Museen erkennen, auch an manchen der freund- lichen Landhäuser, die allmählich, bei steigendem Wohlstand, vor den Toren der großen Städte sich erhoben. Dann aber ging das stille, friedliche Ge- schlecht, dem er seine Arbeit gewidmet hatte, zu Grabe; die neue Zeit des lärmenden Weltverkehrs, der Bahnhöfe, der Ausstellungen, der Banken stellte der Baukunst völlig veränderte Aufgaben. Gehemmt und gebunden, wie sie war, griff Schinkels Tätigkeit doch ungleich tiefer in die nationalen Sitten ein als die fieberische Baulust des Münchner Hofes. An dem Rheinländer Gärtner hatte König Ludwig endlich einen Baumeister gefunden, wie er ihn brauchte, einen beweglichen, schnellfertigen Künstler, der unbedenklich alles lieferte, was der ungedul- dige Bauherr verlangte. In rascher Folge entstanden nun die romanischen Prachtbauten der Ludwigstraße, die meisten kahl und langweilig, wenn- gleich es dem Treppenhause der Bibliothek nicht an malerischem Reize fehlte. Zum Glück ward an das eine Ende der öden Straße das dem Konstan- tinsbogen nachgebildete Siegestor gesetzt; an das andere Ende kam eine wenig gelungene, aber aus der Ferne stattlich wirkende Nachbildung der florentinischen Loggia dei Lanzi. Diesen Raum nannte man die bayrische Feldherrnhalle und stellte die Bildsäulen Tillys und Wredes darin auf — zum Ergötzen der nachbarlichen Spötter, denn der eine war kein Bayer, der andere kein Feldherr. Das gemachte und gesuchte Wesen dieser monu- mentalen Kunst auf geschichtslosem Boden zeigte sich nirgends greller als an dem ehernen Obelisken, der den 30 000 in Rußland gebliebenen bayri-