510 IV. 8. Stille Jahre. nur auf die Bundesgenossenschaft eines carlistischen Spaniens zählen konnten. In Berlin sprach sich der Kronprinz besonders lebhaft für Don Carlos aus; sein Vertrauter Oberst Radowitz verteidigte das legitime spanische Thronfolgerecht in einer Flugschrift. Da Palmerston überdies den spanischen Krieg von vornherein als einen Kampf der Revolution gegen das Fürstenrecht anpries, so blieb den drei Mächten kaum eine Wahl. Sie riefen ihre Gesandten aus Madrid ab — zum schweren Schaden für die armen Weber des Riesengebirges, die in Spanien ein wichtiges Absatz- gebiet verloren; sie verboten dem Könige von Belgien, Werbungen für die Cristinos zuzulassen; jedoch eine förmliche Anerkennung Karls V. wagten sie nicht auszusprechen, weil sie als Landmächte nicht ohne Frankreichs Bei- hilfe eine Einmischung versuchen konnten. Auf eine völlige Umkehr Ludwig Philipps hoffte man am Berliner Hofe nicht; man kannte seine bedrängte Lage und wußte, „daß er die nationale Eitelkeit in dem Glauben erhalten müsse, als ob Frankreich eine Art friedlicher Diktatur ausübe.“/#F) Um so mehr erwartete man von den Waffenerfolgen der Carlisten; denn Don Carlos' Agenten, die an allen deutschen Höfen ihr Wesen trieben, hatten dort überall die Meinung erweckt, daß der legitime König auf die unge- heure Mehrheit der Nation rechnen dürfe. Nach jedem Siege der Basken beriet man insgeheim, ob man nicht jetzt den König Karl anerkennen solle, um schließlich immer wieder zu beschließen, daß man erst seinen Ein- zug in Madrid abwarten müsse. So lief denn alles hinaus auf einen unfruchtbaren Depeschenwechsel. Als die englische Regierung sich einmal unterstand, dem Berliner Hofe die Legitimität der Königin Isabella zu erweisen, wurde sie durch ein gründliches Gutachten des Berliner Aus- wärtigen Amts siegreich widerlegt.7) Ancillon fühlte sich bei diesen Wort- gefechten wie der Fisch im Wasser. Unaufhaltsam predigte er dem Tuilerien= hofe in lehrhaften Noten seine Weisheit; er scheute die stärksten Ausdrücke nicht, aber „den Ton des Popilius“ — so gestand er selbst — wollte er auf keinen Fall anschlagen.) Keiner unter den drei verbündeten Monarchen zeigte sich gegen Don Carlos so kühl wie Zar Nikolaus. Sein Haß galt noch immer „dem Straßenkönig und dem Blusenkönig“, wie er die beiden Gewalthaber in Paris und Brüssel zu nennen liebte; nach wie vor hoffte er auf einen Weltkrieg, der alle Schöpfungen der Juli-Revolution mit Stumpf und Stiel vertilgen sollte. Neben diesen großen Entwürfen erschien ihm die spanische Bewegung kaum der Beachtung wert. „Für Don Carlos habe ich nur Eisen, aber kein Gold,“ sagte er hochmütig.#) Als echter Sohn des *7) Ancillon an Brockhausen, 14. Juli 1834. *) Memorandum on Spain, begutachtet durch Frhr. v. Miltitz, 19. März 1839. ##) Ancillon an Brockhausen, 23. April 1835. f) An diese allen Höfen wohlbekannte Außerung des Zaren erinnert Maltzan in seinem Berichte vom 14. Jan. 1837.