Die Heirat des Herzogs von Orleans. 517 der soeben in Schwerin die Regierung angetreten hatte. Der Stolz des mecklenburgischen Hauses, das schon fünf Königinnen unter seinen Töchtern zählte, sträubte sich lange. Da ließ der König seinem Schwiegersohne durch Graf Lottum vorstellen: seinen persönlichen Gefühlen wolle er nichts vor- schreiben, aber die Heirat aus politischen Gründen auszuschlagen, sei ein Fehler; bis jetzt habe die Diplomatie „mit Glück dahin gewirkt“, Ludwig Philipp zu den konservativen Mächten hinüberzuziehen; weise man die Werbung ab, so erbittere man ihn und noch mehr den reizbaren Thronerben, eben dies wünschten die deutschen und die polnischen Revolutionäre.“) Hier- auf wurde Minister Kamptz als Rechtsrat nach Schwerin gesendet, und wie gänzlich umgewandelt erschien dort plötzlich dieser gestrenge Royalist, der sich kürzlich für sein altes Wappen die neue Devise: Regi et principio conservativo gewählt hatte. Der Befehl seines Königs und der Wunsch, dem angestammten mecklenburgischen Hause neuen Glanz zu verschaffen, bezauberten ihn völlig. In einer vertraulich verbreiteten Schrift stellte er Rechtssätze auf, die, an sich unhaltbar, in seinem Munde ganz unge- heuerlich klangen: er suchte die Quasi-Legitimität der Orleans zu beweisen, da Ludwig Philipp ein legitimes Thronfolgerecht besessen habe, aber freilich noch nicht an der Reihe gewesen sei. Dawider erhob sich der ehrliche alte Strelitzer Minister Aug. von Oertzen.) Der weilte, auf den Tod erkrankt, in Berlin und konnte nicht ruhig sterben, ehe er sein Fürstenhaus gewarnthatte. „Schon im Privatleben“, sagte er nach seiner patriarchalischen Weise, „entschließt man sich nicht, den Genuß sogenannter Glücksgüter zu teilen, wenn die Rechtmäßigkeit ihrer Erwerbung irgend zweideutig erscheint.“ Er widerlegte die Behauptungen Kamptz' in einer geharnischten Denkschrift, die er ebenfalls unter der Hand bei Hofe verbreiten ließ. „Bisher“, so äußerte er, „haben Legitimität und Revolution nur nebeneinander bestanden, sie haben sich gegenseitig ge- duldet und äußerlich miteinander Frieden gehalten; hinfort werden sie sich miteinander vermischt und vermählt haben.“ Daß des Königs Schwager bei dieser Arbeit irgendwie beteiligt war, galt für sicher; in der diplo- matischen Welt hielt man ihn sogar für den eigentlichen Verfasser. Herzog Karl verhehlte seine Entrüstung über den Heiratsplan nicht; „er wäre in seiner Wut bald zum Teufel gefahren,“ so meinte Wittgenstein, der selber den Befehlen des Königs unbedingt folgte. Darauf antwortete Kamptz durch bissige „Anmerkungen“, die sich auf das Beispiel der Wasas, der Welfen, Wilhelms III., Napoleons beriefen und den Verfasser der Denkschrift mit der äußersten Geringschätzung behandelten. “) Der Streit zwischen den höchsten Würdenträgern der Monarchie wurde sehr ärgerlich. Herzog Karl *) Lottum, Promemoria über die mecklenburgische Heirat, 28. Jan. 1837. ½) E. o. III. 571. *“) „Bemerkungen“, mecklenburgische Denkschrift, mit „Anmerkungen“ von Kamptz (l#ithographiert, Frühjahr 1837).