546 IV. 8. Stille Jahre. licht werden sollte, war noch immer nicht gelöst. Da die Armeekorps alle gleich stark waren, so konnte es nicht ausbleiben, daß die einzelnen Pro- vinzen, je nach der Vermehrung und der körperlichen Tüchtigkeit ihrer Be- völkerung verschieden belastet wurden, und wiederholt beschwerten sich die Zivilbehörden über diese Ungleichheit. Auf solche Klagen legte der König mit Recht wenig Wert; er meinte, der Übelstand werde „vollkommen ausgeglichen“ durch die große Erleichterung, die darin liege, daß die Mehr- zahl der Mannschaften in ihrer Heimat diene. ) Weit bedenklicher er- schien ihm, wie allen seinen Generalen, die übergroße Zahl der Dienst- pflichtigen, welche, gegen den Sinn und Wortlaut des Gesetzes, tatsächlich zurückgestellt werden mußten. Bisher hatte man sich damit beholfen, die Überschüssigen notdürftig eine kurze Zeitlang bei der Landwehr auszu- bilden. Diese „Landwehrrekruten“ bewährten sich leider sehr schlecht, als sie während der polnischen Wirren an die Grenzen berufen wurden, und alle Sachverständigen stimmten dahin überein, daß die Wehrpflichtigen fortan allesamt durch die Schule des Heeres gehen müßten. Aber an eine Erhöhung des regelmäßigen Militärbudgets ließ sich jetzt gar nicht denken, nachdem die Rüstungen der Revolutionsjahre so große Summen verschlungen hatten; also blieb nur noch ein überaus gefährliches Aus- kunftsmittel übrig, die Herabsetzung der Dienstzeit. Unter den Laien herrschte noch immer die Meinung, daß die Handgriffe des Exerzierplatzes sich spielend erlernen ließen; selbst die harmlosen Reaubeschen Jahrbücher fragten: warum wolle man nicht jedem Wehrpflichtigen gestatten, sich selber auf die militärischen Ubungen vorzubereiten, und ihn dann befreien, falls er gut bestünde? Auch in militärischen Kreisen wurden seltsame Vor- schläge laut: man riet, einen Teil der Mannschaften zwei Jahre, einen anderen sechs Monate dienen zu lassen, so daß die durchschnittliche Dienst- pflicht etwa 16 Monate betrüge. In solcher Lage hielten die tüchtigsten Generale, Prinz Wilhelm, Witz- leben, Natzmer, Müffling trotz schwerer Bedenken für ratsam, den Ver- such der zweijährigen Dienstzeit zu empfehlen; selbst General Boyen, der jetzt endlich die Gunst des Königs wieder erlangt hatte und zu den Ver- handlungen zugezogen wurde, stimmte dem Vorschlage bei. Am 15. Oktober 1833 bestimmte der Kriegsminister durch eine vorläufige Verfügung, daß die Dienstzeit bei der Linieninfanterie fortan zwei Jahre währen solle, bei der Fußartillerie 2½), bei der Garde und allen reitenden Truppen, wie bisher, drei Jahre. Die Landwehrrekruten fielen hinweg, dafür traten bei der Linie mehr Wehrpflichtige ein. Das Bataillon der Linieninfanterie zählte nunmehr im Frieden 522 Mann: 200 aus dem ersten, 200 aus dem zweiten Jahrgang, dazu 122 Unteroffiziere und Kapitulanten. So ward es möglich, trotz der vermehrten Rekruteneinstellung den Aufwand für das *) Kabinettsordres an Brenn, 11. Sept. 1832, 4. Sept. 1833.