Die Zillerthaler. 569 frohes Völkchen. In ihren schmucken Tiroler Häusern, mitten unter den grünen Matten fühlten sie sich bald glücklich; ihre jungen Leute wurden bei den Görlitzer Jägern gern als Rekruten aufgenommen, und mancher zog nachher in die norddeutsche Ebene, um durch die heimische Milchwirt— schaft sein Glück zu suchen. Mit dem königlichen Hause blieben sie immer in naher Verbindung; Prinz Wilhelm der Ältere und die Prinzessin Marianne kamen aus dem nahen Fischbach oft herüber, und außer ihrer Bibel war den Exulanten nichts so ehrwürdig wie das Bild des alten Königs in der Gemeindeschule. Gott segne den König Friedrich Wilhelm III. — so lautete die Inschrift auf dem Söller des ersten Hauses in Mittel- Zillerthal. — Die Provinzialstände der östlichen Provinzen bereiteten der Regierung wenig Ungelegenheiten, sie besorgten mit treuem Fleiße ihre unscheinbaren Geschäfte. Die altständische Opposition gegen die Hardenbergische Gesetz- gebung regte sich noch zuweilen, aber minder lebhaft als in früheren Jahren, und als die langwierigen Beratungen über den Entwurf der neuen Gewerbeordnung begannen, da zeigte sich's, daß die Grundsätze der Freizügigkeit und der Gewerbefreiheit den Preußen schon in Fleisch und Blut gedrungen waren. Die Wiederherstellung des alten Zunftzwanges wagte selbst der konservativste aller Landtage, der brandenburgische nicht zu verlangen; man wünschte nur freie Innungen mit strengerer Zucht für Lehrlinge und Gesellen. Die Stände fühlten selbst, wie wenig die öffent- liche Meinung nach ihnen fragte, und beantragten mehrmals, in Preußen, Sachsen, Schlesien, daß ihre Verhandlungen dem Volke zugänglicher ge- macht würden. Die neuen Gedanken freilich, welche im Bürgertum zu gären begannen, konnten in dieser Vertretung des Grundbesitzes keinen Ausdruck finden; ihre still wachsende Macht ließ sich nur an der freieren Sprache der Provinzialpresse erraten. Während die Berliner Zeitungen noch in dem alten Stumpfsinn verharrten, brachte der junge National- ökonom Schön in der Schlesischen Zeitung schon zuweilen scharfe Leit- artikel über innere Angelegenheiten. Mit ihm suchte Frhr. von Vaerst in der Breslauer Zeitung zu wetteifern; die Königsberger Zeitung aber diente den ostpreußischen Liberalen zum Sprechsaal, soweit es die gestrenge Zensur erlaubte. — Sobald ein neuer politischer Gedanke sich im Völkerleben durchgesetzt hat, bewirkt die Kraft des Beharrens regelmäßig einen Rückschlag der verletzten Interessen und Meinungen. Auch dem Zollvereine sollte diese Erfahrung nicht ganz erspart bleiben. Wohl stieg der Gesamtertrag der neuen Zölle von Jahr zu Jahr, und die süddeutschen Finanzmänner hatten guten Grund, sich ihres Entschlusses zu freuen. Bayern, das aus dem bayrisch-württembergischen Zollvereine kaum 2 Mill. fl. jährlich bezogen