Hassenpflug. 619 ständen die Bewilligung einer Dotation für seine unebenbürtigen Kinder forderte und deutlich zu verstehen gab, für solchen Preis wolle er sich gern etwas von dem Militärbudget abhandeln lassen.“) Die Verhand— lungen zerschlugen sich. Die Ritterschaft aber verstand ihren Vorteil wahrzunehmen, sie nahm die Grafen von Schaumburg in ihre Korpo— ration auf, so daß ihnen fortan heimfallende Ritterlehen übertragen wer— den konnten, und empfing dafür von dem dankbaren Vater mannigfache Begünstigungen im Staats- und Hofdienste. Währenddem fuhr der Kur— prinz fort, seine Mutter durch kleinliche Bosheit zu mißhandeln. Er ließ den Salon neben ihrer Theaterloge abbrechen und erwiderte auf ihre Be- schwerde, er sei ja selbst bei ihr nicht hoffähig. Nichts liebloser als seine Briefe an die Kurfürstin; als er ihr einen Kammerherrn, den sie hoch- schätzte, wegnahm, schrieb er ihr trocken: „übrigens besitzest Du kein Rechts- mittel, ihn in Deinem Dienste beizubehalten.““*) Erst nach vieljährigem Streite überwand die stolze Fürstin ihren Widerwillen, auf die dringenden Bitten des preußischen Gesandten, und entschloß sich, den Besuch ihrer Schwiegertochter zu empfangen. Seitdem wurde mindestens der äußere Anstand bei Hofe wiederhergestellt. ) Hassenpflug, der jetzt die Seele der Regierung war, hatte einst als Freiwilliger gegen Frankreich gefochten und in Göttingen einer Verbindung angehört, welche den patriotischen Ideen der späteren Burschenschaft nahe stand. Frühe schon wendete er sich den Lehren Hallers zu, sein scharfer juristischer Verstand schrak selbst vor den letzten Folgesätzen des Systems der Restauration nicht zurück. Geistreich, vielseitig unterrichtet, zeigte er in den ersten, besseren Jahren seines Wirkens lebhaften Eifer für die Blüte der Wissenschaften in Marburg. Der Verkehr mit seinen Schwä- gern, den Brüdern Grimm, die ihn auch mit Dahlmann zusammen- brachten, hatte ihn gewöhnt, sich auf den Höhen der Bildung zu bewegen. Die beiden, allerdings kindlich gutherzigen, großen Gelehrten hielten ihn damals noch für durchaus redlich, nur fanden sie ihn „nicht frei von Einseitigkeit und Überspannung“ und nannten es unrecht, daß er seiner eigenen Überzeugung zuwider die Rolle eines konstitutionellen Ministers übernommen habe. Er verhehlte gar nicht, daß er die Verfassung als „ein Werk der Revolution“ verabscheute und entschlossen war, sie durch die allerstrengste Auslegung mit dem monarchischen Prinzip in Einklang zu bringen. Während dieser Kämpfe ward er immer härter, schroffer, gewissen- loser; in seinem schönen, geistreichen Gesichte ließen sich bald die verkniffenen Züge des Fanatismus und der Herrschsucht erkennen. Wenn er scharf, höhnisch, mit herausforderndem Hochmut auf die tobende Kammer ein- —a *) Canitz' Berichte, 12. Juli, 23. Aug. 1834. *“) Kurprinz Friedrich Wilhelm an Kurfürstin Auguste, 30. Nov. 1836. *#“) Canitz' Berichte, 28. Jan., 18. Febr. 1837.