Die Rotenburger Quart. 623 Als der Kurprinz einmal seinem königlichen Oheim einen Plan einsendete, der die Landstände zur Zurücknahme der Anklagen bewegen sollte, da ließ der König antworten: er wünsche nicht, daß sein Neffe mit ihm oder dem Kaiser von Osterreich über solche Dinge unmittelbar Briefe wechsle, beide Höfe könnten als Bundesmächte doch nur gemeinsam handeln; so würde auch am sichersten „jeder Anschein einer Verkennung der Grundsätze der Verfassung vermieden“.) Die Prozesse gegen Hassenpflug währten in das vierte Jahr hinein, bis zum Januar 1836, ohne das Land sonderlich aufzuregen. Mittler- weile war aber schon ein neuer, dem Volke verständlicherer Kampf aus- gebrochen. Wieder einmal geriet die Habsucht dieses Fürstenhauses in Streit mit dem eigenen Lande. Um Neujahr 1835 erlosch die Neben- linie Hessen-Rotenburg, die ein Viertel der alten Landgrafenschaft, die Roten- burger Quart mit 225 000 Tlr. jährlicher Einkünfte besaß und dort die Patrimonialgerichtsbarkeit nebst anderen niederen Regierungsrechten aus- übte. Eine Weile blieb es noch zweifelhaft, ob dieser reiche Besitz wirk- lich heimgefallen sei; denn die Witwe des letzten Rotenburgers, Landgräfin Eleonore meldete aus ihrem einsamen Schlosse Zembowitz in Schlesien, daß sie sich Mutter fühle. Alsbald argwöhnte der mißtrauische Kurprinz, daß man einen Erben unterschieben wolle, obgleich die Landgräfin sich von freien Stücken bereit erklärte, ihr Wochenbett zu Rotenburg in Hessen ab- zuwarten. Er erbat sich durch seinen Gesandten vom Berliner Hofe die Anordnung der üblichen Sicherheitsmaßregeln. Nach deutschem Fürsten- rechte ließ sich dies unanständige Verlangen nicht abweisen. Das Pu- pillen-Kollegium in Ratibor ernannte nunmehr einen Landrat zum Cura- tor ventris für die Witwe; der mußte die Landgräfin nach dem Schlosse Rotenburg geleiten. Dort hatte der Kurprinz alle Zugänge vermauern lassen; der eine, der offen blieb, wurde streng bewacht. Die arme Land- gräfin, die unzweifelhaft in gutem Glauben war, bat den König von Preußen für alle Fälle um Schutz, weil dem Kurprinzen kein Fürstenwort heilig sei; da stellte sich endlich heraus, daß sie sich über ihren Zustand getäuscht hatte.) Nachdem der Prinzregent seinen Verwandten seine ritterliche Ge- sinnung gezeigt hatte, ließ er die Rotenburger Quart für sein Hausfidei- kommiß einziehen; die Kosten der Verwaltung und der Gerichtsbarkeit über- wies er kurzerhand dem Staate und erbot sich großmütig, 1500 Tlr. jährlich zuzuschießen. Zugleich versuchte er auch die großen preußischen Besitzungen des Hauses Rotenburg, die Fürstentümer Ratibor und Corvey, welche der verstorbene Landgraf seinen Neffen, den Prinzen von Hohenlohe *7) Entwurf für ein Reskript des Kurprinzen an den Landtag, 2. Juli; Ancillon, Weisungen an Canitz, 16., 17. Juli 1833. **) Landgräfin Eleonore von Hessen-Rotenburg an Ancillon, 12. Aug., an Canitz, Aug. 1835. Kabinettsordre an Ancillon, 28. Aug. 1835.