Neue Verhandlungen in Frankfurt. 679 und wegen seines radikalen Inhalts. Darauf folgten scharfe Ausfälle gegen das süddeutsche Repräsentativsystem, das den Grundsätzen des deut- schen Ständewesens widerspreche und das monarchische Prinzip zerstöre. Offenbar sollte den konstitutionellen Kronen die Lust vergehen, ihrerseits einen Angriff gegen den allein monarchischen Welfenhof zu wagen. Die langen Ferien boten den Regierungen genügende Frist, um diese erstaunlichen Aktenstücke zu durchdenken. Am 28. Febr. 1839 eröffnete Schöler die Sitzungen wieder, aber Münch war noch immer nicht an- gekommen; jedermann sah, daß Osterreich wie Hannover die Entschei- dung vertagen oder vereiteln wollte.') Die lange Pause, die nun eintrat, benutzte König Friedrich Wilhelm, um dem Welfen nochmals ins Gewissen zu reden: „Erwägen Ew. Majestät, daß die Stellung Preußens als eines Bundesstaats ihm Pflichten auferlegt und ihm Rücksichten vorschreibt, von denen es sich nicht lossagen kann, ohne von den Grundsätzen abzuweichen, welche alle deutschen Fürsten übereinstimmend angenommen haben.“**“) Das klang fast, als ob Preußen nunmehr entschlossen sei, die unzweideutigen Vorschriften der Schlußakte zu verteidigen. Auf den Welfen aber konnten so sanfte, rücksichtsvolle Mahnungen keinen Eindruck machen. Er glaubte doch, und leider mit Recht, daß sein gütiger Schwager ihn bei der letzten Entscheidung nicht im Stich lassen würde. Als Münch endlich eingetroffen war, stellte Bayern, unterstützt von allen süddeutschen Höfen und von beiden Linien des sächsischen Hauses, am 26. April den Antrag, daß Hannover aufgefordert werden solle, gemäß dem Art. 56 der Schlußakte, den Rechtszustand aufrecht zu halten und etwaige Anderungen nur auf verfassungsmäßigem Wege vorzu- nehmen. Der Antrag verlangte nur, was schon längst hätte geschehen sollen, aber noch einmal wurde dem hannöverschen Hofe eine Frist be- willigt.*) Er überschritt sie, wie das seine Art war, und reichte erst am 27. Juni eine Denkschrift ein, die alle seine früheren Leistungen noch überbot. Ihr Verfasser war Geh. Rat Falcke, ein zierlicher, eleganter alter Junggesell, berühmt durch die Schar seiner schönen Hunde; der hatte im Jahre 1831 mit Ernst August wegen des Staatsgrundgesetzes verhandelt—) und nachher jahrelang neben Rose die Regierung des Her- zogs von Cambridge vor dem Landtage vertreten. Diese Vergangenheit hinderte ihn keineswegs, sich auch dem neuen Gewalthaber schmiegsam unterzuordnen, und jetzt wagte er, der die Verhandlungen selbst geführt hatte, dem Bundestage zu beteuern, daß Ernst August über das Staats- grundgesetz nicht rechtzeitig unterrichtet worden sei. Die Bundesregierungen waren freilich nicht in der Lage, die ganze Verlogenheit dieser welfischen *7) Schölers Bericht, 1. März 1839. **) K. Friedrich Wilhelm an K. Ernst August, 20. April 1839. **#) Schölers Bericht, 27. April 1839. + S. o. IV. 165.