XIX. Prinz Wilhelm und Prinzessin Elise Radziwill. 739 eine ähnliche Bedeutung wie einst die Kämpfe Friedrichs II. mit seinem Vater. Der Prinz schreibt: „.. Sie haben, teuerster Vater, die Entscheidung für mein Schicksal gegeben, die ich ahnden mußte, aber mich zu ahnden scheute, solange ein Strahl von Hoffnung mir noch blieb. .. Lesen Sie in meinem Herzen, um in demselben den unaussprech- lichen Dank zu finden, der es belebt für alle die unzähligen Beweise Ihrer Gnade, Liebe und Langmut, die Sie mir in diesen bewegten fünf Jahren gaben, vor allem aber noch für den unbeschreiblich tief mich ergriffen habenden Brief vom gestrigen Tage. Welchen Eindruck er mir gemacht, bin ich nie imstande zu schildern. Ihre väterliche Gnade, Liebe und Milde, Ihre liebevolle Teilnahme bei dem schweren Geschick, das mich trifft, das Vorhalten meiner Pflichten in meinem Stande, die Anerkennung der Wür- digkeit des Gegenstandes, dem ich meine Neigung geschenkt habe, die Erinnerung an alle Versuche, welche Ihre Liebe zu Ihren Kindern Sie unternehmen ließ, um die Wünsche meines Herzens zu erfüllen — alles, alles dies in den Zeilen zu finden, die mein Schick- sal entschieden, mischte in mein erschüttertes Herz so viel Trost und so unaussprechliches Dankgefühl, daß ich nur durch die kindlichste Liebe und durch mein ganzes Verhalten in meinem künftigen Leben imstande sein werde, Ihnen, teuerster Vater, meine wahren Gesinnungen zu betätigen. Ich werde Ihr Vertrauen rechtfertigen, und durch Be- kämpfung meines tiefen Schmerzes und durch Standhaftigkeit in dem Unabänderlichen in dieser schweren Prüfung bestehen. Gottes Beistand werde ich anrufen. Er verließ mich in so viel schmerzlichen Augenblicken meines Lebens nicht. Er wird mich auch jetzt nicht verlassen.. Soschließe ich diese wichtigen Zeilen zwar mit zerrissenem Herzen, aber mit einem Herzen, das Ihnen, teuerster Vater, inniger denn je anhängt! Denn Ihre väterliche Liebe war nie größer als in der Art der schweren Entscheidung.“ — Über die vielbestrittene Rechtsfrage, welche in dieser Familiengeschichte mitspielt, wage ich eine abschließende Entscheidung nicht zu geben. Soweit ich aber zu urteilen vermag, glaube ich allerdings, daß die Minister das Rechte trafen, als sie sich gegen die Ebenbürtigkeit der Prinzessin Radziwill aussprachen. Wohl hatte einst Luise Charlotte Radziwill, die reiche Erbin der Herrschaften Tauroggen und Serrey, den Sohn des großen Kurfürsten, Markgraf Ludwig, nachher in zweiter Ehe den Pfalzgrafen Karl Lud- wig geheiratet, und weder im brandenburgischen noch im pfälzischen Hause wurde die Ebenbürtigkeit dieser Ehen je bezweifelt. Aber seitdem waren schärfere und härtere Rechts- begriffe im preußischen Königshause zur Herrschaft gelangt. Friedrich II. verlangte von Kaiser Karl VII. ausdrücklich, „daß alle diejenigen fürstlichen Heiraten schlechterdings für ungleich zu achten, welche mit Personen unter dem alten reichsgräflichen Sitz und Stimme in comitüs habenden Stande kontrahiert werden“. Diese Erklärung des Ober- hauptes der Dynastie war für die Nachfolger bindend, solange sie nicht durch ein Haus- gesetz beseitigt war; und da die Fürsten Radziwill zwar den reichsfürstlichen Titel, aber niemals Sitz und Stimme auf den Reichstagen erlangt hatten, so konnten sie fortan, trotz ihres Reichtums und historischen Ruhmes, dem preußischen Königshause nicht mehr für ebenbürtig gelten. Prinz Wilhelm von Preußen war selbst dieser Ansicht. Er bat seinen königlichen Vater in einem Briefe aus Petersburg vom 12. Februar 1826, daß Prinz August von Preußen oie Prinzessin Elisabeth Radziwill, um ihr die Ebenbürtigkeit zu verschaffen, an Kindesstatt annehmen, und die Söhne des Königs diese Adoption ge- nehmigen sollten. Dies bezeugt Fürst Wittgenstein in einem Schreiben an Graf Bern- storff vom 28. März 1826. — 47