748 XXII. Das Frankfurter Attentat. rätern wurden, vergaß ich ganz meine eigene Lage. In den nun folgenden Verhören gab ich natürlich immer an, ich sei nach Frankfurt gekommen auf der Reise ins Nassauische, und da von dort und von Haus dasselbe gerichtlich erhoben wurde, war man nahe daran, mich frei zu lassen. — Anfang Mai wurde Rottenstein aus der Haft entlassen; die Korrespondenz speziell mit Fräulein Stolze erlitt aber keine Unterbrechung, da der Barbier, der zwei bis drei- mal wöchentlich zum Rasieren kam, Zettelchen heraus und herein beförderte, obschon zwei Soldaten und zwei Wächter immer während der Operation um uns herum standen und aufpaßten, und da in den ausgehöhlten Stöpseln in den beiden Bierflaschen, die mir von Frankfurter Wohltätern täglich zugeschickt wurden, immer Brieschen spediert wurden. Einmal glaubte ich am Benehmen des Gefangenwärters zu bemerken, daß er auf die Stöpsel der Bierflaschen fahnde, und ich meldete hinaus, man solle diesen Beförderungs- modus unterlassen und in Zukunft in die untere Höhlung im Boden dazu geeigneter Flaschen die Zettel stecken und darüber eine Schicht schwarzen Pechs decken. So geschah es. Noch etwa vierzehn Tage lang wurde derart korrespondiert, da wurde plötzlich ver- boten, ich dürfe kein Bier mehr zugeschickt bekommen. Und im Verhör wurde mir ein Stöpsel vorgelegt, in denein Zettelchen unerheblichen Inhalts gesteckt war, das ich ge- schrieben haben sollte. Man hatte noch vierzehn Tage lang die Flaschen mit den Zettel- chen im Boden aufedas Verhöramt bringen lassen und befördert, ohne etwas zu finden. Rottenstein hatte mir einen kleinen Spiegel zurückgelassen, in dessen hinterer seitlicher Wand ein verborgener Behälter angebracht war, in dem ich einen Bleistift mit etwas Papier versteckt hatte, das ich derart immer bei den verschiedenen Versetzungen in andere Gefängnisse wieder erhielt. — Einmal wurde ein Kirschkuchen für mich ins Gefängnis geschickt, in den eine Uhrfedersäge eingebacken war. Der schlaue Gefangenwärter hatte Verdacht, durchschnitt den Kuchen und fand die Säge. Ich wußte nichts von der Sache und erfuhr erst später davon. — Nach einer längeren Schilderung des Kerkerlebens, der Verhöre, der wiederholten Fluchtversuche heißt es dann weiter: .. Gegen das Frühjahr 1834 wurde ein Befreiungsplan in großem Maßstabe in Angriff genommen. Es sollten alle gegen die Zeil und teilweise die Fahrgasse Inhaf- tierten zugleich ausbrechen. Es waren unserer acht (zwischen je zwei war immer eine von uns nicht besetzte Zelle, um Kommunikation zu verhindern). Im Hof war ein neuer Abtritt gebaut und da fand ich unter dem Brillenbrett über der Mauer einen Raum. In dies Geheimfach wurden nun von unseren Freunden draußen Uhrfeder- sägen und die dazu nötigen Monturen niedergelegt, wo dann ein jeder seinen Bedarf holen konnte. Und in der Tat gelang es allen acht in einigen Wochen sämtliche Gitter zu durchfeilen, und zwar in jedem Gefängnis zwei, denn ein zweites, nicht leicht zu erreichendes Gitter war noch innerhalb des Fensterkastens angebracht. Als alles vor- bereitet war, wurde die Ausführung auf den 2. Mai abend zehn Uhr festgesetzt. Wegen baulicher Veränderungen wurden wir zu dieser Zeit nur von 6—7 Uhr ein jeder je eine halbe Stunde zum Spazierengehen in den Hof geführt; das geschah jeweils nach der Reihe und ungeschickterweise kam die Tour an diesem Abend gerade an uns. Da klopften mir die drei vorne an mir inhaftierten Genossen, sie sollten in den Hof geführt werden, könnten aber absolut nicht, da sie sonst mit ihrer Arbeit nicht fertig würden. Da es nun aufs höchste verdächtig hätte werden müssen, wenn wir alle heute nicht spazieren gehen wollten, worauf sich sonst ein jeder so sehr gefreut, und da ich so ziem- lich fertig war, so sagte ich den andern, ich werde gehen, wenn dazu die Reihe an mich komme. Ich opferte mich für sie. Denn als ich um 7 Uhr in mein Gefängnis zurück- kam, ward es bald dunkel; ich feilte jetzt zuerst die Gitter vollends durch, dann kam ich bei stockfinsterer Nacht an die Bereitung des Stricks, an dem ich mich hinablassen wollte; ich verwendete dazu das in Riemen gerissene Bettuch und einige Halstücher und Sack- tücher. Gegen 9 Uhr klopfte mir der außen an mir sitzende Erlanger, Pfretschner, er