Europäische und deutsche Politik. 11 leben, dem Bunde die wirksame Leitung des Heerwesens, der Verkehrs— verhältnisse, der Handelspolitik verschaffen müsse. Wie die erweiterte Bundesgewalt sich mit dem Zollvereine vertragen sollte, der doch ohne und gegen den Bund entstanden war — solche Fragen legte er sich kaum vor; denn sein preußisches Staatsgefühl blieb allezeit schwächer als die unbestimmte Begeisterung für Deutschlands Einigkeit, und der Gedanke, im Kampfe mit Osterreich die Führung der Nation für Preußen zu fordern, lag gänzlich außerhalb seines Gesichtskreises. Unter allen hohen— zollerschen Königen war er der friedfertigste, friedfertiger noch als sein Vater und darum auch der einzige, der nie einen ernsten Krieg geführt hat. Auf eines seiner Museen ließ er den alten Cäsarenspruch setzen: Melius bene imperare quam imperia ampliare — ein Wort, das dem Beherrscher eines Weltreiches wohl anstand, doch wahrlich nicht dem Könige eines jungen, unfertigen Staates mit lächerlichen Grenzen. Er war kein Mann des Degens; nur ungern bestieg der Kurzsichtige ein Roß, und wenngleich er bei den Manövern die Offiziere oft durch seine scharfsin- nigen kritischen Bemerkungen überraschte, so fühlten sie doch alle, daß er diese kriegerischen Pflichten nur aus Gewissenhaftigkeit, ohne Freude er- füllte. Sein Herz hing an dem Glücke des Friedens. Alle die friedlichen Segnungen aber, welche sein Volk unter der christlich-ständischen Mon- archie zu erwarten hatte, sollten allein ausgehen von der Weisheit der Krone; denn wie ein Patriarch des Alten Testaments verstand er seine Würde, recht eigentlich als eine väterliche von Gott selbst zur Erziehung der Völker eingesetzte Gewalt erschien ihm das Königtum. Auf die Person des Monarchen bezog er alles, was im Staate geschah. Der höchste Zweck der freien Presse war ihm „das Aufdecken von Miß- bräuchen und Unbilden, von denen Ich auf keinem anderen Wege unter- richtet werden dürfte“ ) und wenn er seinen Untertanen zürnte, dann sagte er drohend: „ungezogene Kinder zur rechten Zeit die Rute fühlen zu lassen, ist schon durch Salomon und Sirach empfohlen.“7) Wenn sich nur unter allen diesen vielverheißenden Plänen des Thron- folgers ein einziger völlig ausgereifter, staatsmännisch durchdachter Ent- wurf befunden hätte! Indes jene leidenschaftliche Lust am Erfolge, selbst am verkümmerten Erfolge, welche den Mann der Tat bezeichnet, war ihm völlig fremd. Er liebte an der Fülle seiner Gedanken wie an einem künstlerischen Spiele sich zu weiden, und in den langen Jahren des Harrens verlernte er fast zu fragen, wie alle diese Herrlichkeit ins Leben treten solle. Sogar den Plan der Befreiung der evangelischen Kirche, der ihm unter allen das Herz am stärksten bewegte, dachte er nur sieben Jahre lang mit ganzem Ernst zu fördern; zeige sich dann der Widerstand *) Marginalnote, 7. Juni 1843. **) Marginalnote, 10. Juni 1847.