Königin Elisabeth. 17 sogar noch hassenswürdiger als die trocken verständige Bureaukratie des alten Systems. Unter allen stand Königin Elisabeth dem Herzen des Königs am nächsten. Ihr widmete er eine unbegrenzte Zärtlichkeit, fast über das Maß hinaus, das einem Herrscher erlaubt ist. Als er sich, von Tränen überströmt, ganz in Rührung zerfließend vom Todesbette seines Vaters erhob, sagte er zu ihr: „Jetzt stütze mich, Elise, nun bedarf ich der Kraft.“ Wenn er gepeinigt von der jeden Entschluß erschwerenden Überfülle seiner Gedanken, aufgeregt durch die Geschäfte zu ihr heimkehrte, dann empfing sie ihn immer gleich heiter, geistreich, liebevoll; nur wenn der Jähzorn ihn ganz aus der Fassung brachte, schaute sie ernsten Blicks im Zimmer um- her und sprach: „ich suche den König.“ Sein glückliches Haus suchte er sich so gemütlich einzurichten, als es die Fürstensitte erlaubt; zum Weihnachts- markte ging das königliche Paar selbst auf den Schloßplatz herunter, und am Silvesterabend mußte der Nachtwächter ins Schloß kommen, um mit seinem Horn das neue Jahr anzukündigen. Was der König seiner Ge- mahlin nur an den Augen absehen konnte, tat er mit Freuden. Hoch- herzig überwand sie den stillen Kummer über die kinderlose Ehe; sie ließ es sich nicht nehmen, ihren Neffen Friedrich Wilhelm, den vermutlichen Thronfolger, selbst über die Taufe zu halten und wurde dem Knaben eine zweite Mutter. Ihr höchstes Glück aber fand sie in unerschöpflichem Wohl- tun; sie half dem Gatten bei den unzähligen Unternehmungen seiner christlichen Milde und steuerte aus eigenen Mitteln sehr große Summen, mindestens 60 000 Taler jährlich bei; in allen den entlegenen Stadt- vierteln Berlins, wo die neu gegründeten Krankenhäuser und Kinderbewahr- anstalten sich erhoben, kannte jedermann den Wagen der Königin mit den vier Apfelschimmeln. Trotzdem war sie im Volke nicht beliebt. Die Katholiken des Westens verziehen ihr den Übertritt nie; in den hartprotestantischen alten Provinzen aber, zumal in Berlin, wo der Geist des Jesuitenriechers Biester noch immer umging, erzählte man überall, sogar in den Kreisen der Hofdienerschaft, mit der höchsten Bestimmtheit, die Königin sei im Herzen katholisch geblieben und wolle ihren Gemahl zur römischen Kirche bekehren. Das Gerücht ward eine Macht, schädlich für das Ansehen des Königs, und entbehrte doch jedes Grundes. Aus freier Überzeugung, nach ernstem Nachdenken war Elisabeth einst zum evangelischen Glauben übergetreten, und noch in späten Jahren sagte sie dem Papste Pius IX. mit ihrer gewohnten schönen Wahrhaftigkeit ins Gesicht: „wenn man zum Gemahl einen solchen König hat, der das Evangelium vorlebt, dann wird man im evangelischen Glauben gewiß.“ Freilich trug ihre kirchliche Gesinnung eine romantische Färbung, welche der Freigeisterei der Zeit verdächtig blieb; das Idceal der einen christlichen Kirche stand ihr so hoch wie ihrem Ge- mahl. Die streng legitimistischen Anschauungen der bayrischen Schwestern verleugnete sie nie; mit den Höfen von Wien, Dresden, München blieb v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 2