38 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung. bischof Droste, aus seiner ländlichen Heimat nach Münster überzusiedeln; nach Köln wollte er den Urheber des Streites auf keinen Fall zurückkehren lassen. Den anderen der beiden Erzbischöfe hingegen, Dunin, der noch rechtskräftig verurteilt in Colberg gefangen saß, dachte er sogleich wieder in sein erzbischöfliches Amt einzusetzen. Welch ein Mißgriff! Dunin war nicht nur der schuldigere der beiden Prälaten, da er ganz ohne Not ein seit. Jahrzehnten anerkanntes Gesetz eigenmächtig aufgehoben hatte; er gehörte auch einer Provinz an, welche durch ihre Unbotmäßigkeit ebenso bekannt war wie das Rheinland durch seinen gesetzlichen Sinn und sich längst ge- wöhnt hatte, jede Tat königlicher Milde als deutsche Schwäche zu ver- spotten. Während am Rhein die Ruhe fast nirgends gestört wurde, nahmen in Posen die Kundgebungen lärmenden Zornes kein Ende: die Geistlichen verbreiteten ein Lied: „den Hirt und Vater raubt man seinen Kindern, den heil'gen Glauben will man uns entreißen.““) Gerade diesen schlech- testen Untertanen Preußens, den Polen widmete Friedrich Wilhelm eine schwärmerische Zärtlichkeit. Er konnte nie vergessen, daß Platen ihn einst in den Polenliedern um Schutz für „das Volk der Leiden“ angefleht und ihm zugerufen hatte: Triumphe sind wie Niederlagen, Wenn ihre Frucht besteht in Klagen. Im grenzenlosen Haß der Welt. Mit den Radziwills und Raczynskis verband ihn alte Freundschaft. Durch Großmut hoffte er die Großmütigen, die in Wahrheit nur begehrlich waren, zu versöhnen. Daher wurde schon am 17. Juli Geh. Rat Aulicke, ein hartkatho- lischer Westfale, der fortan in Preußens Kirchenpolitik noch lange eine verhängnisvolle Rolle spielen sollte, an den Gefangenen gesendet. Die verschmitzten Augen des glatten kleinen Polen leuchteten, er zerfloß in Dank- barkeit und versprach in einem höchst untertänigen Schreiben, fortan Treue und Frieden zu wahren. Darauf gestattete ihm der König die Rückkehr und sprach zugleich die Hoffnung aus: „Es wird Mich freuen, durch die Be- tätigung Ihrer gegen Mich ausgesprochenen Verheißungen Mich bald in den Stand gesetzt zu sehen, Sie an Meinem Hoflager zu empfangen.“) Die Heimkehr erfolgte, um Aufsehen zu vermeiden, am späten Abend des 5. August; aber natürlich hatte einer der adligen Vertrauten des Erzbischofs, Lipski, die Nachricht schon vorher verbreitet, so gestaltete sich denn die Ein- fahrt zu einem brausenden Triumphzuge, und es frommte wenig, daß der König dem Herrn v. Lipski nachträglich seinen Unwillen aussprechen ließ. *) Bericht des Ministerialverwesers v. Ladenberg an den König, 3. Aug. 1840. *“) Instruktion für Aulicke, 17. Juli; Aulickes Bericht, 27. Juli; Dunin an den König, 24. Juli; Kabinettsordre an Dunin, 29. Juli 1840. *“*) Ladenbergs Bericht an den König, 6. Aug.; Kabinettsordre an Ladenberg, 7. Aug. 1840.