Begnadigung Dunins. 39 Am nächsten Tage erklangen in allen Kirchen des Erzbistums wieder die Glocken und die Orgeln, die wegen der Gefangenschaft des Oberhirten bis— her geschwiegen hatten. Die Stadt Posen veranstaltete eine große Erleuch— tung zur Feier der Amnestie für die politischen Verbrecher, und wochenlang strömten Tag für Tag Hunderte von Andächtigen zu dem befreiten Mär— tyrer. Dunin versäumte auch nicht in Gnesen einzuziehen, wo ihm die Bauern die Pferde vom Wagen spannten; einer Pilgerschar, die zu der schwarzen Mutter Gottes von Czenstochau, der Regina Regni Poloniae wallfahrtete, erteilte er feierlich seinen Segen. So verhöhnte der Be- gnadigte die deutsche Staatsgewalt ins Angesicht; der so lange durch Flott- wells Strenge niedergehaltene Deutschenhaß regte sich wieder, während dieser Saturnalien polnischer Siegestrunkenheit wurde der erste Keim ge- legt für die Aufstände der nächsten Jahre. Unterdessen ließ der ver- söhnliche Hirtenbrief, welchen Dunin dem Monarchen versprochen hatte, noch immer auf sich warten. Erst nach langen peinlichen Verhandlungen mit der Regierung ?) kam ein geschraubtes und gewundenes Rundschreiben zu stande (27. Aug.): den Geistlichen wurde zwar untersagt, das förmliche Versprechen katholischer Kindererziehung zu fordern, anderseits aber völlig frei gestellt, ihre Mitwirkung bei der Abschließung gemischter Ehen zu verweigern. Die Entscheidung über die gemischten Ehen lag also fortan ausschließlich in der Hand des römischen Klerus; in Posen wie vorher schon am Rhein hatte der Staat völlig nachgegeben.) Damit die Posener Verhältnisse wieder in ruhigen Gang tämen, ver- langte der König, daß die beiden alten Gegner, Dunin und der Oberpräsi- dent Flottwell sich versöhnen sollten. Flottwell erklärte sich auch bereit, die ihm anempfohlene Selbstverleugnung zu üben; der treue Mann ahnte schon, die Zeit des festen und gerechten deutschen Regimentes werde unter dem neuen Könige nicht mehr lange währen. Dunin dagegen weigerte sich den ersten Schritt zu tun, was ihm, dem Verurteilten, doch unzweifelhaft zukam. Der Oberpräsident, so versicherte er dem Könige, hätte ihn gar zu schlecht behandelt: „Die dadurch hervorgerufenen Gefühle auszutilgen vermag ich nicht, denn wenngleich Priester bin ich doch ein Mensch, und ein Wurm krümmt sich, wenn er getreten wird.“ Zugleich fragte er ganz verwundert, warum man ihn noch immer nicht zum Krönungsfeste nach Königsberg eingeladen habe.*“*“) Vergeblich suchte ihn Oberst Willisen, ein dem Könige nahestehender, mit dem polnischen Adel eng befreundeter Offizier, mindestens zur Wahrung des äußeren Anstandes zu bewegen; vergeblich erinnerte ihn Minister Rochow, im Auftrage des Monarchen, an die Christenpflicht der Versöhnlichkeit. Dunin blieb bei seinem Trotze; *) Ladenberg an Dunin, 25. Aug. 1840. **) S. o. IV. 700. — *) Dunin an den König, 24. Aug.: an Ladenberg, 22. Aug. 1840.