40 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung. er hatte mit sarmatischer Schlauheit längst erkannt, daß er dieser Regierung alles bieten durfte.“) In der Tat ließ ihn der König zur Krönung an das Hoflager entbieten und gab sich der angenehmen Hoffnung hin, der Prälat würde den versäumten Besuch bei Flottwell späterhin noch nachholen. Dort in Königsberg umringte den Erzbischof alsbald der polnische Adel und begrüßte ihn als einen Vorkämpfer der Nation; mit höchster Dreistig- keit ward unter den Augen des Königs ausgesprochen, jetzt sei es Zeit, den Deutschen Flottwell zu stürzen. Die öffentliche Meinung zeigte sich in diesen polnischen Dingen völlig urteilslos; sie war längst gewöhnt, in jedem politischen Gegner der Regierung einen ehrwürdigen Märtyrer zu sehen, und pries dankbar die Milde des neuen Herrschers. Unterdessen wurden die Zurüstungen getroffen für die Huldigung in Königsberg. Sie sollte mit besonderer Feierlichkeit erfolgen; denn es geschah zum ersten Male, daß ein König von Preußen als völlig sou- veräner Herr aller seiner Lande den Thron bestieg. In dem alten Ordenslande hatte sich der verhaltene Parteihaß der letzten Jahre neuer- dings noch mehr verschärft, seit General Wrangel, als Nachfolger des fein gebildeten taktvollen Natzmer, an die Spitze des ersten Armee- korps getreten war. Die ostpreußischen Kürassiere fühlten sich hoch ge- ehrt, wieder unter die Befehle des kühnen Reitersmannes zu kommen, der sie einst im Befreiungskriege so ruhmvoll geführt hatte. Der Ober- präsident Schön aber vermochte in seinem Bildungshochmut weder die militärischen Verdienste noch die humoristische Gutmütigkeit des derben, polternden, streng konservativen Pommern zu würdigen; er verabscheute ihn ebenso gründlich wie den orthodoxen Generalsuperintendenten Sar- torius und nannte ihn „das öffentlich dastehende Standbild der Stupi- dität und Unkultur“. Der Haß der Männer ergriff auch die Frauen- welt Königsbergs: hier Schöns Freundin, die geistreiche, liebenswürdige, ganz demokratisch gesinnte Freiin Florentine v. Brederlow, dort seine feindliche Schwägerin Frau v. Bardeleben mit den Gottseligen des ver- rufenen Muckerkreises. Schöns Partei aber behauptete entschieden das Übergewicht. Durch seine langjährige Verwaltung fest mit dem Lande verwachsen, schien er vielen ehrwürdig, anderen schreckhaft, den meisten unentbehrlich; er beherrschte fast das gesamte Beamtentum und den größten Teil des Landadels, desgleichen die hierzulande weit verbreiteten Freimaurer und den ganzen Lehrerstand, der noch durchaus vom Geiste des alten Dinter erfüllt war. Mit den Gelehrten stand er von jeher auf gutem Fuße. Die akademische Jugend endlich verehrte ihn, nach der Legende der Provinz, als den bürgerlichen York, der auch in Zukunft der Vorkämpfer altpreußischer Freiheit bleiben müsse; denn seit kurzem war auf der Albertina das politische Leben etwas reger geworden, bei *) Willisens Bericht an den König, 12. Aug. Rochow an Dunin, 29. Aug. 1840.