48 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung. zunächst genauere Beweise, doch man merkte ihm an, daß seine Polen ihn schon halb gewonnen hatten. Nicht ganz so gnädig behandelte er die preußischen Landstände, als sie ihm am 11. Sept. ihren treuherzigen Dank für den Landtagsabschied aussprechen ließen. Sie sagten in ihrer Adresse: „Fester noch, ist es möglich, als vorher ist das Demantband gezogen, welches um Preußens königlichen Herrscher und sein treues Volk sich schlingt.“ Der König aber hielt den Abgesandten eine lehrhafte, an feinen Bemerkungen reiche An— sprache, welche leider die allgemeine Verwirrung nur steigern konnte. Auf das lebhafteste versicherte er seinen Widerwillen gegen alle auf Per— gament geschriebenen Staatsgrundgesetze und hob hervor, England biete, kraft einer ganz eigenartigen Geschichte, das einzige Beispiel einer glück— lichen konstitutionellen Verfassung. So sagte er wohl, was er nicht wollte; was er selbst beabsichtigte, blieb im Dunkeln. Begreiflich daher, daß als- bald sehr verschiedene Berichte über seine Rede umliefen, und Rochow in der Königsberger Zeitung erklären ließ, die Worte des Königs seien miß- verstanden worden. Inzwischen reiste Friedrich Wilhelm ab, und nun ent- spann sich ein häßlicher Zeitungskrieg, an dem auch mehrere Mitglieder jener letzten ständischen Abgesandtschaft teilnahmen. Jedermann fühlte, daß Rochow und Schön hinter den Streitenden standen; die Nebenbuhler bekämpften einander durch die Federn dritter, beide mit der gleichen Hef- tigkeit persönlichen und politischen Hasses. Endlich erwirkte Rochow, daß ihn der König durch Kabinettsordre vom 4. Okt. beauftragte, die Königs- berger Verhandlungen bekannt zu machen, „um jeder irrigen Ansicht ent- gegenzutreten, als ob ich meine Zustimmung zu dem Antrage auf Ent- wicklung der Landesverfassung im Sinne der Verordnung vom 22. Mai 1815 ausgesprochen hätte“. Die Ordre sagte im Grunde nur das näm- liche wie der Landtagsabschied, doch sie sagte es in scharfem, schneidendem Tone und zerstörte mit einem Schlage alle die holden Träume der Ost- preußen. Wie Schuppen fiel es ihnen von den Augen, sie glaubten sich in dem Könige getäuscht zu haben, und von Stund' an erhob die Oppo- sition, die während der Festtage fast verschwunden gewesen, wieder ihr Haupt. Schön aber, der die Hoffnung noch nicht aufgab, verbreitete ge- flissentlich das Gerücht, diese unzweifelhaft die Herzensmeinung Friedrich Wilhelms aussprechende Ordre habe Rochow dem Monarchen durch Über- raschung abgelistet. Außerhalb Ostpreußens bemerkte man von diesem unerquicklichen Nachspiele gar nichts; so gering war noch, dank den Provinzialständen, der politische Verkehr zwischen den Landesteilen der Monarchie. Die Ber- liner wollten sich nicht gedulden bis zu dem zweiten Huldigungsfeste, das in der Hauptstadt von den Vertretern aller deutschen Bundeslande des Königs abgehalten werden sollte, sondern verlangten das Herrscherpaar schon bei seiner Heimkehr festlich zu begrüßen, und Friedrich Wilhelm