Woher und Wohin? 57 es in seiner Entwicklung fördert, dann straft die Zeit.“ In dieser nach— drücklichen Mahnung und in der Persönlichkeit des Verfassers lag die einzige Bedeutung der Blätter; von eigentümlichen Gedanken enthielten sie nichts, und obwohl die beständigen Ausfälle auf „die Dienerschaft“ un— verkennbar auf Friedrich Wilhelms persönliche Abneigung berechnet waren, so mußten doch der absprechende Ton der Darstellung, die hochmütige Verunglimpfung der gesamten Vergangenheit Preußens, und vollends gar die Berufung auf die heidnischen Junghegelianer den König in tiefster Seele verletzen. Darum meinte sein Vertrauter Geh. Rat v. Voß, als er mit Erstaunen den Namen des Verfassers erfahren hatte: „Ich fand die Schrift sehr albern und riet auf einen Querkopf von Gutsbesitzer. Aus Schöns Stellung heraus liegt aber in der Abfassung einer solchen Schrift etwas völlig Verrücktes, und das hat mir ganz melancholische Empfindungen gemacht.“ 2) Aber wie ungeschickt immer, diese Blätter waren zweifellos Schöns Ministerprogramm; er wollte dadurch entweder den König gewinnen, oder, wenn dies mißlang, durch die Forderung der Reichsstände ein weithin leuchtendes Panier aufstecken, das die zerfahrene, ratlose Opposition des Landes um sich sammeln sollte. Der Gedanke war wohl berechtigt, nur mit der Stellung eines Oberpräsidenten kaum vereinbar. Späterhin be- hauptete Schön freilich, sein Woher und Wohin? hätte nur als eine ge- schichtliche Urkunde dienen sollen, um den Kulturstand des Königreichs Preußen im Jahre 1840 der Nachwelt zu überliefern. Doch unmöglich konnte der welterfahrene alte Staatsmann glauben, eine solche Schrift von solchem Verfasser würde auf die Dauer geheim bleiben, nachdem sie in der Königsberger Hofbuchdruckerei gedruckt, an mehrere Archive verteilt und fünf Freunden von sehr verschiedener politischer Gesinnung vertraulich zugesendet worden war. Der König selbst hielt diese Geheimhaltung für undenkbar und antwortete dem Oberpräsidenten am 26. Dez. sehr offen- herzig, jetzt sei eine Prüfungszeit für ihre alte Freundschaft eingetreten. „Woher und Wohin? gefällt mir nicht.“ Das Woher, die historische Darstellung hätte so kurz nach dem Tode des alten Königs anders ge- faßt werden müssen; das Wohin aber „wird Ihren Freunden Leid, Ihren Feinden Frohlocken bereiten“. Dann hielt er ihm alle die unbedachten liberalen Redensarten der Schrift vor: daß die Landwehr wie ein Heer der Volksvertreter dem Heere der Krone entgegengestellt würde, daß die Generalstände sich die Verwaltung zueignen sollten: „die Perspektive ist ermutigend für mich!“ Darauf betonte er nochmals den Grundgedanken seiner über allem Untertanen-Vorwitz erhabenen Politik: „Ich fühle mich ganz und gar von Gottes Gnaden und werde mich so mit Seiner Hilfe bis zum Ende fühlen. Glauben Sie mir's auf mein königliches *7) Voß an Thile, 31. Dez. 1840.