86 V. 2. Die Kriegsgefahr. Teutschen, König Ludwig von Bayern, der seine Vaterstadt Straßburg noch als die starke Bundesfestung unseres Südens zu begrüßen hoffte.“) Die französischen Gesandten in Deutschland fühlten sich wie verraten und ver- kauft, als sie in diesem gutherzigen, gastfreundlichen Volke auf einmal den Haß auflodern sahen. Graf Bresson in Berlin, ein bekannter Heißsporn, gebärdete sich wie ein Unsinniger; er klagte, Frankreich sei erniedrigt, entehrt, von Europa geächtet,*) und verkroch sich bei dem nächsten Hoffeste, um nur den König nicht sprechen zu müssen, hinter einem Fenstervorhang, wo man ihn ruhig stecken ließ. Der Gesandte in München wollte gar nicht verstehen, was man gegen ihn habe, da doch Frankreich immer das deutsche Gleichgewicht verteidigte; ***) der in Darmstadt bat um Schutz für sein Haus, weil er sich durch den Lärm der Presse persönlich bedroht glaubte.f)sOffenbar kam es den Franzosen ganz unerwartet, daß die Deutschen sich als eine Nation fühlten. Die öffentliche Meinung hielt sich ganz frei von dem fratzenhaften Franzosenhafse der Zeiten der alten Burschenschaft. Man wagte nicht einmal die Wiedereroberung des Elsasses zu fordern, sondern wollte nur tapfer das deutsche Hausrecht wahren. Major Moltke erwies freilich in einem beredten Aufsatze über die westliche Grenzfrage, „daß wenn Frank- reich und Deutschland je miteinander abrechnen, alles Soll auf seiner, alles Haben auf unserer Seite steht“, und sprach die Erwartung aus, in diesem Falle würde Deutschland „das Schwert nicht eher in die Scheide stecken, bis Frankreich seine ganze Schuld an uns bezahlt“ hätte. Solche Hoffnungen mochten in der Stille von vielen, zumal von preußischen Offizieren gehegt werden; in der Presse fanden sie nur sehr selten einen Widerhall. Mitten während des Kriegslärms wurden in Deutschland Sammlungen für die Überschwemmten zu Lyon veranstaltet, und weil die Empfindung der Nation so einfach war, darum fand sie auch ihren natür- lichen Ausdruck in den schlichten Worten eines Mannes aus dem Volke. Niklas Becker, ein junger Gerichtsschreiber im preußischen Rheinlande, dichtete in guter Stunde das Lied: Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein, Ob sie wie gier'ge Raben sich heiser danach schrei'’n, Solang er ruhig wallend sein grünes Kleid noch trägt, Solang ein Ruder schallend in seine Wogen schlägt. Als die Kölner im Oktober ihrem neuen Könige huldigten, wurde dies Lied zum ersten Male gesungen, und feurige rheinische Patrioten, die noch halb unbewußt unter dem Einflusse der französischen Verbildung des letzten Jahrzehnts standen, schlugen vor, das Gedicht, als ein Gegenstück der *) Dönhoffs Bericht, München 10. Nov. 1840. *“) Minister Werther an Bülow, 10. Aug. 1840. *“.) Dönhoffs Bericht, 9. Dez. 1840. f) Nach du Thils Aufzeichnungen.