Niedergang des fremdbrüderlichen Liberalismus. 89 der Männer, welche bisher die Regierungen bekämpft hätten.“) Der Russe sah schärfer als der Österreicher. Es war in der Tat der Geist von 1813, der aus allen diesen Gedichten, Reden und Zeitungsartikeln sprach; es war der Stolz einer endlich erwachenden starken Nation, der zum vollen Selbstbewußtsein gereift der Fremdherrschaft Osterreichs ebenso verderblich werden mußte wie die hohlen Formen der Bundesverfassung. Die Kugel stand auf scharfer Kante; ein leichter Stoß genügte, sie ins Rollen zu bringen. Der Krieg war erklärt, sobald Preußen eine ernste Anfrage wegen der französischen Rüstungen nach Paris ergehen ließ und sie veröffentlichte. Ein König von friderizianischer Kühnheit hätte dieser Versuchung schwerlich widerstanden. Alle die tapferen Männer des preußischen Heeres, welche seit Jahren schon den dritten punischen Krieg für unvermeidlich hielten, vereinigten sich in der Meinung, jetzt sei die rechte Zeit zum Schlagen. Der Prinz von Preußen lebte und webte in dem Gedanken des rheinischen Feldzugs. In ernster Rede mahnte er die Offiziere der Garde, den vaterländischen Sinn wach zu halten in dem Heere, „der Schöpfung des seligen Königs“, die sich mehr denn je das Vertrauen des befreundeten Auslandes erworben habe.) Er schrieb sich das Rhein- lied eigenhändig ab, und unter die Schlußworte: Sie sollen ihn nicht haben, den freien, deutschen Rhein, Bis — seine Flut begraben des letzten Manns Gebein setzte er jenen kühnen Federzug, der späterhin aus der Namensunterschrift des Sedansiegers der weiten Welt bekannt werden sollte. Auch Radowitz riet seinem geliebten Könige, sich jetzt durch einen verwegenen Entschluß eine Stellung ohnegleichen zu gewinnen. Die Lage schien für Preußen wunderbar günstig. Thiers hoffte zwar den Krieg in Italien zu beginnen, um dadurch Deutschland neutral zu halten; er war aber ganz außer stande, die gallische Kriegsbegier, sobald sie einmal entfesselt wurde, von ihrem eigentlichen Ziele, dem Rheinlande abzulenken, und mit vollem Rechte ließ daher die preußische Regierung in Paris erklären, sie müsse jeden Angriff auf Italien als einen Kriegsfall betrachten. Wenn Frankreich also gezwungen wurde, seine Streitkräfte zu teilen, so konnte nach mensch- lichem Ermessen den preußischen Waffen der Sieg nicht entgehen, trotz der voraussichtlich elenden Beihilfe der kleinen deutschen Bundesgenossen. Aber so wahrscheinlich der kriegerische Erfolg, ebenso gewiß war schließlich die diplomatische Niederlage; denn auch dieser Krieg hätte wie der Feld- zug von Belle Alliance unter dem Neide und der Halbheit aller Koali- tionskriege verkümmern müssen; er konnte nach aller Wahrscheinlichkeit nur damit enden, daß Preußen mit ungeheueren Opfern die persönliche *) Liebermanns Bericht, 23 Febr. 1841. *) Bergers Bericht, 6. Jan. 1841.