126 V. 2. Die Kriegsgefahr. daß er berufen sei, „die historische Allianz“ der beiden stammverwandten Nationen wieder fester zu schließen. Diese historische Allianz war seit dem Thronwechsel ein Lieblingswort der preußischen Diplomatie; niemand fragte, was der preußische Staat durch die englische Freundschaft einst gewonnen habe und ob er jetzt nicht stark genug sei, ihrer zu entraten. Hoffnungsselig wie einst in Rom betrachtete Bunsen auch in London jede persönliche Freundlichkeit, die ihm widerfuhr, als einen politischen Sieg und glaubte im Ernst, das ungemütlichste aller Völker durch Ge— mütlichkeit gewinnen zu können; er hoffte harmlos, die Briten würden der Erweiterung des Zollvereins nichts in den Weg legen und falls Deutsch— land Kolonien erwürbe, diese liebevoll mit ihrer Flotte beschützen Die Engländer betrachteten ihren glühenden Bewunderer mit stiller Ironie und versäumten nicht, seine unerwiderte Liebe sich zu nutze zu machen. Ritter Bunsen — so hieß er bei Hofe — wurde bald eine gefeierte Größe der Londoner Gesellschaft, ein Liebling der Zeitungsreporter. Er machte es möglich, neben der Unmasse seiner immer geistreichen, aber immer unpraktischen Depeschen und Denkschriften auch noch an seinem Buche über Ägyptens welthistorische Stellung zu schreiben und seine litur— gischen Studien fortzuführen. So stand er den diplomatischen, den ge— lehrten, den kirchlichen Kreisen Londons gleich nahe und konnte immer wieder mit gerechtem Selbstgefühle berichten, wie er einem Feste beim Lord Mayor oder beim Erzbischof von Canterbury als einziger Foreigner beigewohnt, wie sein in tadellosem Englisch gehaltener speech irgend eine Versammlung begeistert, wie die Universität Oxford, dankbarer als die deutschen Hochschulen, ihn durch ihren Doktorhut geehrt habe. Er be— nutzte diese glänzende gesellschaftliche Stellung, um für die Deutschen Lon— dons mannigfache gemeinnützige Anstalten zu gründen und zumal den jungen deutschen Gelehrten, die ihm bei seinen Arbeiten zur Hand gingen, vorwärts zu helfen. Nach der Meinung des großen Publikums gereichte es auch dem preußischen Staate zum Vorteil, daß von dem Prussian Minister in der Riesenstadt immer und überall die Rede war. In Wahr- heit brachte seine politische Wirksamkeit in London wie vormals in Rom dem Vaterlande nur Schaden. Auf die kalten englischen Geschäfts- männer konnte ein Enthusiast, der so leicht mit biederen Worten abzu- speisen war, unmöglich Einfluß gewinnen. Am preußischen Hofe aber wurden durch Bunsens sanguinische Berichte grundfalsche Vorstellungen von Englands deutscher Politik hervorgerufen, verhängnisvolle Irrtümer, welche sich späterhin, als Schleswig-Holsteins Schicksal auf dem Spiele stand, schwer bestrafen sollten. In Berlin war der Boden für solche gemütliche Selbsttäuschungen nur zu wohl vorbereitet. Friedrich Wilhelms alte, ursprünglich wohl durch Niebuhrs Vorträge geweckte Vorliebe für England hatte neuerdings noch an Wärme gewonnen, seit mit der jungen Königin an den vormals