130 V. 2. Die Kriegsgefahr. An der Seite der Herrscherin eines solchen Weltreichs mußte ein kleiner deutscher Prinz in die nämliche Lage geraten wie eine ins Aus— land verheiratete Prinzessin: er konnte sein Volkstum nicht behaupten. Prinz Albert wurde bald ganz zum Engländer, obwohl er im Familien- kreise meistens deutsch sprach und die liebreiche Gemahlin, zum Entsetzen aller frommen Britenherzen, ihm sogar erlaubte, beim Fischessen ein silber- nes Messer zu benutzen. Als er wenige Jahre nach seiner Heirat Deutsch- land wieder besuchte, trug er die britischen Sitten geflissentlich zur Schau und hielt im grauen Sommer-Überrock die Heerschau über die Mainzer Garnison, so daß die preußischen Generale erzürnt fragten, ob dieser junge Wettiner denn gar nicht mehr wüßte, daß deutsche Fürsten die vaterlän- dischen Fahnen im Waffenschmucke ehrten. In dem kalten, freudlosen englischen Leben verlor er jene menschenfreundliche Heiterkeit, welche den gebildeten Deutschen auszeichnet, und wurde steif, pedantisch, in seinen Urteilen schroff und lieblos, so daß ihm auch die Arbeit in der Kinder- erziehung, die er mit großem Pflichteifer betrieb, nur bei einigen seiner Töchter, bei dem Thronfolger gar nicht gelang. Sein Selbstgefühl ward durch die berechneten Schmeicheleien der britischen Parteiführer und die harmlosen Lobeserhebungen der festländischen Konstitutionellen sehr hoch gesteigert. Auf seine durchlauchtigen Genossen daheim sah er mit Hoch- mut herab; er glaubte, die deutsche Politik besser als sie zu verstehen, obgleich er durch die lange Abwesenheit die Fühlung mit den vaterlän- dischen Dingen längst verloren hatte, und meinte, nichts Arges zu tun, wenn er die deutschen Fürsten in hofmeisterndem Tone aufforderte, allezeit den Wegen Englands zu folgen. Derselben Ansicht huldigte auch die Königin. Sie liebte ihren Gemahl so innig, daß sie auch sein Vaterland mit ins Herz schloß und nach Frauenart sich berechtigt glaubte, über dessen Wohl zu wachen. Wie ihre Vorfahren als Könige von Hannover, so wähnte sie als Herzogin zu Sachsen, dem Deutschen Bunde mit anzu- gehören, und die deutschen Höfe boten für die zarten Künste der Damen- politik einen ungleich dankbareren Boden als das englische Parlament. Zwischen London, Brüssel, Wiesbaden und Koburg wurde, mit Ab- zweigungen nach Paris und Lissabon, eine Kurierkette eingerichtet, welche die Vertrauten des Hauses Koburg in regelmäßigem Verkehr erhielt. Während die englische Presse in ihrem blinden Fremdenhasse den angeb- lichen „deutschen Einfluß“" am Londoner Hofe bekämpfte, konnte Deutschland mit besserem Rechte über englisch-koburgischen Einfluß klagen. Des Prinz- gemahls älterer Bruder, der gut deutsch gesinnte Herzog Ernst von Koburg empfand dies selbst sehr lebhaft; bald nachdem er seinen kleinen Thron bestiegen hatte, schrieb er dem Oheim Leopold: „wir müssen wieder ehrlich deutsch werden,“ denn bisher haben wir uns meist nur als Verwandte der großen Höfe des Westens gezeigt, darum gilt Koburg für ein Nest undeutscher Ränke und ultraliberaler Ideen. Doch leider blieb es bei