Berufung der Vereinigten Ausschüsse. 183 Ausschüsse ist eine Entwicklung der ständischen Institutionen, indem sie den ständischen Beirat der einzelnen Provinzen durch ein Element der Ein— heit ergänzt. Kein Wunder also, daß die Regierung ihrem Lose, über— all mißverstanden zu werden, auch diesmal verfiel. Fürst Solms-Lich, der begeisterte Verherrlicher der ständischen Monarchie, war zum Marschall der Vereinigten Ausschüsse ausersehen und erschien während der rhei— nischen Festtage auf dem Stolzenfels, um sich nähere Weisungen zu er— bitten. Wie erschrak der König, als dieser Getreue, der doch „gewiß kein Liberaler“ war, ihm in aller Unschuld gestand: man glaube allgemein, die Krone beabsichtige, vorsichtig zum konstitutionellen Systeme überzugehen; da scheine es doch ratsamer den Ausschüssen sogleich erweiterte Befugnisse zu gewähren: Petitionsrecht, Einsicht in den Staatshaushalt, Einberufung aller drei Jahre, beratende Mitwirkung bei den Landesgesetzen — und zugleich ausdrücklich zu erklären, die ständische Verfassung habe nunmehr ihren Schlußstein erhalten; sonst würden sich widerwärtige Adreßdebatten in den Ausschüssen kaum vermeiden lassen.) Auch Metternich, der auf dem rheinischen Schlosse ebenfalls befragt wurde, meinte bedenklich, man habe sich auf eine schiefe Ebene gewagt. Der König aber erwiderte, die Ausschüsse sollten weder selbst Reichsstände sein noch den Keim eines künftigen Reichstags bilden. Um alle Mißverständnisse abzuschneiden, be- auftragte er noch unterwegs den General Radowitz mit der Ausarbei- tung eines Manifestes, das den Ausschüssen bei ihrer Eröffnung vor- gelesen werden sollte. Gleich nach seiner Heimkehr, in den ersten Tagen des Oktobers, ließ er die Minister zusammentreten, um über diese Bekanntmachung zu beraten. Radowitzs Entwurf war sehr doktrinär gehalten. Er sagte über die Verfassungspläne des Königs nichts Bestimmtes, sondern bekun- dete lediglich, daß die Theoretiker der ständischen Monarchie nur wußten, was sie nicht wollten. „Wir werden“, hieß es da, „die deutsche fürstliche Herrschaft in diesem Reiche nicht in eine konstitutionelle Souveränität verwandeln, die königliche Herrschaft nicht der Herrschaft der Majoritäten unterwerfen.“ Der Ton klang so feindselig gegen alles konstitutionelle Leben, daß selbst General Thile meinte: wenn man also rede, dann könne man mit den süddeutschen Staaten nicht mehr im Frieden leben, selbst den Zollverein kaum noch aufrecht halten.“) Auch die anderen Minister fanden das Manifest bedenklich. Nur der Prinz von Preußen verlangte, obwohl auch ihn der Radowitzsche Entwurf nicht befriedigte, in lebhafter Rede, daß der Monarch jetzt zu den Preußen reden und deutlich angeben solle, ob die ständische Gesetzgebung endlich abgeschlossen sei, oder ob noch weitere Schritte bevorstünden. Im Volke, rief er aus, bestehen zwei Par- *) Bodelschwingh, P. M. zu der befohlenen Beratung über die Vereinigten Aus- schüsse, 28. Sept. 1842. *“) Radowitz, Entwurf zu einem Manifest an den Ausschußtag. Sept. 1842.