204 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. stehen glaubte und die Preußen für neue Ideale erziehen wollte, fast ohne jede wirksame literarische Vertretung; und leider erwies ein plumper Lob— redner dem Königtum eben jetzt einen schlimmen Dienst. Nachdem der geistreiche Präsident von Hippel unlängst eine würdige und lehrreiche Bio— graphie des verstorbenen Königs veröffentlicht hatte, ließ der Bischof Eylert seine geschwätzigen „Beiträge zur Charakteristik Friedrich Wilhelms III.“ erscheinen. Es konnte nur Ekel erregen, wenn hier die schlichte Tüchtig— keit, der so viel gerechter Dank gebührte, durch untertänige Schmeichelei verzerrt und dem wortkargen Fürsten lange salbungsvolle Predigten in den Mund gelegt wurden. Fünf Bände hindurch war nur von Ihm und Er die Rede, während der Herrgott, dessen Namen der Bischof stark miß— brauchte, mit dem einfachen „er“ vorlieb nehmen mußte. Alte treue Diener des Entschlafenen mochten in diesem Wust von Anekdoten liebe Erinne— rungen wiederfinden; auf die radikale Jugend aber wirkte das Buch wie Gift, sie fühlte sich bestärkt in dem Wahne, daß monarchische Gesinnung mit byzantinischem Sklavengeiste Hand in Hand gehe. Da wurde die preußische Presse plötzlich durch die Torheit eines liberalen Wortführers in die alte Bedrängnis zurückgeschleudert. Der junge Schwabe Georg Herwegh war zur Zeit der Held des Tages; die feurig radikalen Gedichte eines Lebendigen fanden, überall verboten, überall begeisterte Leser. In einem dieser Lieder redete er den König von Preußen persönlich an, um für das deutsche Volk zu flehen wie einst Platen für die Polen. und bekundete den dunklen, ziellosen Tatendrang der Jugend also: Und frage nicht, wo Feinde sind, Die Feinde kommen mit dem Wind. Behüt' uns vor dem Frankenkind Und vor dem Zaren, deinem Schwager. Augenblicklich spielte Herwegh in der Schweiz den politischen Flüchtling. Irgend eine Unbill war ihm freilich daheim nie widerfahren; zuchtlos, wie er von früh auf gewesen, hatte er sich vielmehr dem württembergischen Waffendienste durch die Flucht entzogen. In der liberalen Welt stand aber der Haß gegen die Söldlinge schon so fest, daß sie dem Poeten diese Verletzung der allgemeinen Bürgerpflicht gar nicht verargte. Er selbst sang prahlend: Deserteur? Mit Stolz! Ich habe des Königes Fahne, Die mich gepreßt, mit des Volks soldlosem Banner vertauscht. Im Herbst 1842 unternahm er eine Triumphreise durch Deutschland; überall, in Weimar, Jena, Leipzig, Dresden bereiteten ihm die Liberalen einen glänzenden Empfang. Berauscht durch solche Huldigungen kam er nach Berlin und erbat sich durch seinen Schweizer Freund, den geistreichen Leibarzt Schönlein eine Audienz beim Könige. Friedrich Wilhelm schrieb darüber nachher an General Dohna: „Ich habe mich acht Tage besonnen, ob ich seinem Wunsche mich zu sehen entsprechen sollte“; ich tat es, weil