206 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. ward ihm aber, als ihm der Dichter noch aus Königsberg einen höchst unziemlichen Brief zusendete. Herwegh beabsichtigte in der Schweiz eine für Deutschland bestimmte Zeitschrift herauszugeben; das Blatt wurde in Preußen eben jetzt im voraus verboten — was den Behörden gesetzlich freistand, aber gleich nach jener Audienz sich sehr gehässig ausnahm — und der Gekränkte richtete nun „ein Wort unter vier Augen“ an den Monarchen, „ohne eine Devotion zu heucheln, die ich nicht kenne, oder Gefühle, die ich nicht empfinde und nie empfinden werde“. Er klagte die Diener der Fürsten an, deren „alterndem Bewußtsein“ sein beschränkter Untertanenverstand, sein Bewußtsein einer neuen Zeit auf ewig wider- sprechen müsse; er beteuerte: „ich bin durch die Notwendigkeit meiner Natur Republikaner“, und drohte: „noch gibt es Menschen, die durch nichts zu schrecken sind, und ich rechne mich zu ihnen.“ Die kindischen Groß- sprechereien verdienen keine Beachtung. Zu Weihnachten jedoch wurde der den Königsberger Liberalen längst mitgeteilte Brief in der Leipziger All- gemeinen Zeitung abgedruckt, und also veröffentlicht erschien er wie eine freche Verhöhnung des Monarchen. Am Berliner Hofe war nur eine Stimme der Entrüstung. Man fand es auch menschlich niederträchtig, daß „ein Wort unter vier Augen“, nicht ohne die Mitschuld seines Urhebers, verraten wurde,) und hielt für nötig, mindestens auf einige Zeit „einen Belagerungszustand“ über die Presse zu verhängen. Zur Vorbereitung mußte die Literarische Zeitung eine laute Wehklage anstimmen: die Wortführer der Freiheit haben in einem Jahre die deutsche Presse um ihren hundertjährigen guten Ruf gebracht; durch Verkündigung der vollen Preßfreiheit würde der Staat eine außer seinem Bereiche stehende Macht anerkennen. Darauf wurde Herwegh aus Preußen ausgewiesen und die Leipziger Allgemeine Zeitung verboten, weil sie „eine Niederlage von Lügen, Entstellungen und böswilligen Angriffen“ geworden sei. In welche peinliche Lage geriet nun Graf Arnim-Beitzenburg. Er wünschte dringend die freiere Bewegung der Presse und war eben deshalb in den Rat der Krone berufen worden; jetzt sah er sich doch genötigt, als Minister des Innern bei allen Zwangsmaßregeln voranzugehen, auf seinen Namen sammelte sich der ganze Haß der Liberalen. Der König verlangte indes noch weitere Verbote. Auf den Schutz der Gerichte glaubte er sich nicht mehr verlassen zu können; denn gerade in diesen Tagen (Jan. 1843) wurde Johann Jacoby, der, einmal schon verurteilt, seine Vier Fragen in zwei Rechtfertigungs- schriften tapfer verteidigt hatte, von dem Ober-Appellationssenate des Kam- mergerichts endgültig freigesprochen. Das Urteil trug die Unterschrift des ehrwürdigen Präsidenten Grolman. Inden sehr ausführlichen Entscheidungs- — — *) Denkschrift über Herweghs Brief, Dez. 1842, o. N., wahrscheinlich von Ludw. v. Gerlach.