Joh. Schulze. Eilers. 231 Ministern besaß er nur an Thile und Savigny nahe Gesinnungsgenossen, und in seinem eigenen Departement fand er fast nur Gegner vor, er— klärte Hegelianer oder aufgeklärte Beamte von dem alten rationalistischen Schlage. Aus den Kreisen dieser unzufriedenen Geheimen Räte gingen nachher, unter Varnhagens eifriger Mitwirkung, viele der anonymen Zei— tungsartikel hervor, welche den Minister als einen beschränkten Pietisten ver- lästerten. Dem Monarchen entgingen diese Mißstände nicht. Wieder und wieder dachte er an die Berufung frischer Arbeitskräfte, schon weil er seinen Freund vom „Totarbeiten retten“ wollte;“*) schließlich scheute er sich doch, durch einen umfassenden Personenwechsel das Selbstgefühl der alten Beamten zu verletzen. So blieb denn der Staatsmann, der eine widerstrebende Welt zum lebendigen Christentum zurückführen sollte, fast ganz allein. Mit seinem Ministerialdirektor Ladenberg lebte er in offener Feindschaft; dem unermüdlichen Johannes Schulze entzog er sogleich einen Teil seiner Amtsgeschäfte, und schmerzlich genug vermißten die Professoren bald die kollegialische Freundlichkeit ihres feurig aufbrausenden und doch so wohl- wollenden loannes parvulus, der eben erst, durch die Berufung Ritschls nach Bonn, wieder einmal seinen Scharfblick bewährt hatte und auch mit Gegnern so gut auskam, daß Leo ihm dankbar die Italienische Ge- schichte widmete. Der einzige Geheime Rat, der dem Minister mit freudiger Zustim- mung half und demnach auch überall mitwirken mußte, war der neu be- rufene Pädagog Gerd Eilers, ein friesischer Bauernsohn, der als Knabe zu Schlossers Füßen gesessen und sich dann in einem erfahrungsreichen Leben den strengen lutherischen Glauben seines Vaterhauses, den Abscheu gegen alle philosophische Zweifelsucht treu bewahrt hatte. Ein ehrlicher, uneigennütziger Patriot, ein brauchbarer praktischer Schulmann von mannigfachen, allerdings ungleichmäßigen Kenntnissen, blieb Eilers doch immer ein unklarer Kopf, geschwätzig, formlos, verworren, wie seine chaotische Selbstbiographie, „meine Wanderung durchs Leben“. Über Menschen und Dinge urteilte er mit eigensinniger Willkür. Er verehrte Schlosser und Dahlmann, während er Gervinus, der zwischen beiden etwa in der Mitte stand, für einen gefährlichen Volksverderber hielt; er verdammte den süddeutschen Liberalismus, doch dem Bannerträger der Triaspolitik, Wangenheim zollte er warme Bewunderung. Alle diese rein subjektiven Ansichten vertrat er mit friesischer Schroffheit, und obwohl er als abge- sagter Feind der Metternichschen Politik die Demagogenverfolgungen, denen mehrere seiner nächsten Freunde zum Opfer gefallen waren, entrüstet verur- teilte, so hielt er doch für ganz natürlich, daß die Staatsgewalt alle, die nach seinem Ermessen offenbare Atheisten oder Revolutionäre waren, sich kurzerhand aus dem Wege räumte. Ein solcher Ratgeber konnte auf den *) König Friedrich Wilhelm an Thile, 23. Febr. 1844.