Das Adelsgesetz. 257 deutsche Rechtssatz, daß jeder Sohn eines Edelmanns selbst ein Edelmann war. Davon wollten die preußischen Adligen ebenso wenig abgehen, wie sie sich dazu verstanden hätten, nach englischer Weise infolge eines Erb— falls ihre Namen zu wechseln. Eine Regierung, die sich ihres historischen Sinnes rühmte, durfte solche Tatsachen nicht verkennen; war sie klug, so mußte sie diesen Stand, der eigentlich gar keine soziale Organisation mehr besaß, sich selbst überlassen und zunächst abwarten, welche Geschlechter in den ewig wogenden Klassenkämpfen der neuen Gesellschaft durch Besitz und Verdienst ein aristokratisches Ansehen noch behaupten würden. Der König aber konnte sein englisches Ideal nicht aufgeben; er wollte durch- aus, wie er es schon bei den Adelserhebungen der Huldigungstage ver- geblich versucht hatte, einen eigentlichen Grundadel schaffen, der an dem befestigten Grundbesitze untrennbar haften sollte. Beharrlich künstelte er an diesen unfruchtbaren Plänen. Nach dem Grundsatze der ständischen Gliederung dachte er auch allen Edelleuten den Eintritt in niedere Be- rufsklassen zu untersagen, um also die Sitten des Standes zu heben. „Eine Hauptsache — so bestimmte er in einem Briefe an Thile — ist die Ablegung des Adels bei gewissen Hantierungen, vornehmlich und un- erläßlich aber beim Ergreifen des Komödianten-Handwerks.“ Indem er also schrieb, begann er doch selbst die Unausführbarkeit seiner Gedanken zu ahnen, und schon leise einlenkend fügte er in einer Nachschrift hinzu: den königlichen Hofschauspielern würde man den Adel schwerlich nehmen können.) Nach langen Vorbereitungen hielt er endlich am 10. Sept. 1846 in Sanssouci einen Kronrat, zu dem nur die adlig geborenen Minister entboten waren. Hier erklärte sich der Prinz von Preußen, und mit ihm die große Mehrheit, sehr nachdrücklich gegen den Plan, die Vererbung des Adels auf einen Teil der Nachkommenschaft zu beschränken: das wider- spreche der nationalen Gewohnheit und müsse im Adel selbst bedenkliche Spaltungen bewirken.*“) Der Monarch ließ sich nicht überzeugen. Nach seinen Weisungen vollendete Savigny nunmehr, gegen Neujahr 1847, den Entwurf eines Adelsgesetzes, das neben dem alten Erbadel noch einen bedingt erblichen, an der Scholle haftenden Grundadel schaffen wollte; dazu drittens einen persönlichen Adel für hohes Verdienst und schließlich gar noch eine halbadlige Ritterschaft oder Gentry für die Söhne der Neugeadelten. So sollte denn Preußens niederer Adel, der doch gerade wegen seiner Überzahl in der öffentlichen Achtung gesunken war, noch um einige neue Klassen vermehrt werden; ja sogar die rheinbündische Institution des Per- sonaladels, die in Süddeutschland den Erbadel so tief heruntergebracht *) König Friedrich Wilhelm an Thile, 4. Jan. 1847. *“) Protokoll über die Konferenz vor Sr. Maj., 10. Sept. 1846. v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 1.— I