Brief des Königs an Metternich. 271 angelegenheiten; zum zweiten die Vereinigten Ausschüsse, die regelmäßig zur Beratung allgemeiner Gesetze zusammentreten sollten; zum dritten endlich dachte er von Zeit zu Zeit, nach seinem freien Ermessen, die sämtlichen Provinzialstände zu einem Vereinigten Landtage zusammenzurufen, der, nach dem uralten Rechte deutscher Stände, in Friedenszeiten neue Anleihen und Steuern zu bewilligen, vielleicht auch über einzelne allgemeine Ge— setze zu beraten hätte. Inmitten dieses großen Landtags sollte eine Art Oberhaus bestehen, gemeinsam beratend mit den anderen Ständekurien, aber gesondert beschließend. Im Jahre 1847 hoffte der König die Ver- einigten Landstände zuerst zu versammeln, vielleicht in dem stillen Bran- denburg. Das war sein alter Lieblingsgedanke, der noch aus Ancillons Lehrstunden herstammte. Was für schreckliche Demütigungen sollte der Arglose noch erleben, bis wirklich einmal ein preußisches Parlament in Brandenburg zusammentrat! Wer konnte die Hochherzigkeit Friedrich Wilhelms in diesen Entwürfen verkennen? Von freien Stücken ging er weit hinaus über die Verheißun- gen des Vaters; an ein Steuerbewilligungsrecht seiner bloß beratenden Stände hatte der alte Herr ja nie gedacht. Und doch, wie verwickelt, überladen, unhandlich war der ganze Plan: dies verhüllte Zweikammer- system, dieser übergroße Reichstag, der ja nicht einmal seiner regelmäßigen Wiederberufung sicher war, diese überfein ausgeklügelte Verteilung der reichsständischen Befugnisse an die Ausschüsse und an den Vereinigten Landtag — eine Künstelei, woraus unfehlbar die von Arnim vorherge- sagte allgemeine Begriffsverwirrung hervorgehen mußte. Am gefähr- lichsten blieb doch, daß der Entwurf des Königs mit den Verheißungen der älteren Gesetze nicht ganz übereinstimmte. Gelang es nicht noch, diesen unwesentlichen, aber willkürlichen Anderungen eine unangreifbare gesetz- liche Form zu geben, so drohte ein Rechtsstreit mit den künftigen Reichs- ständen, der sich durch den zähen juristischen Eigensinn der Deutschen bald verschärfen konnte. Mittlerweile hatte der König dem Fürsten Metternich seine Ab- sichten noch einmal erläutert, in einem langen, vertrauensvollen Schrei- ben, das ihn seit dem 8. Nov. fast fünf Wochen lang beschäftigte.) Hier stellte er die seltsame Behauptung auf, Preußen leide an einer dreifachen Krankheit, weil die drei Gesetze von 1815, 20, 23 einander widersprächen; in Wahrheit lag die Ursache der Krankheit allein in dem Doktrinarismus des Königs, der an dem Wortlaut jener Gesetze so lange deutelte und brütete, bis er darin Widersprüche entdeckte, die ein handfester, entschlossener Staatsmann kaum bemerkt hätte. Demnach *) Dieser Brief vom 8. Nov. bis 8. Dez. 1844 wurde im Aug. 1888 in der Köl- nischen Ztg. wortgetreu veröffentlicht. Es fehlen aber in diesem Abdruck einige Sätze des eigenhändigen Konzepts, die möglicherweise in der letzten Stunde noch gestrichen worden sind.