278 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. man mit der zähen Hartnäckigkeit des römischen Stuhles immer Zug um Zug verhandeln muß. Friedrich Wilhelm aber verschmähte alles, was dem Markten und Feilschen glich. Er hielt es für königlich, alsbald durch eine freie Tat seiner Großmut der Kurie zu zeigen, wie wohl er es mit der Kirche meinte. Noch bevor die römischen Verhandlungen begannen, gab er seinen geliebten Polen ihren Erzbischof zurück, und wenige Tage später genehmigte er, sehr ungern freilich, auch Sedlnitzkys Abdankung. Dergestalt waren zwei der vier schwebenden Fragen schon im voraus zu Roms Gunsten entschieden. Zum Unterhändler wurde noch im Juni 1840 ein Jugendfreund des Königs, Oberstleutnant Graf Brühl bestimmt, ein in diplomatischen Geschäften noch ganz unerfahrener Offizier von liebenswürdigen Formen und vertrauenerweckendem Gradsinn. Brühl war überzeugter Katholik, doch keineswegs ultramontan gesinnt; mit dem milden Bischof Sedlnitzky unterhielt er von langeher freundschaftlichen Verkehr, und seine eigenen Töchter ließ er in dem evangelischen Bekenntnis der Mutter, einer Tochter Gneisenaus erziehen. Noch bei Lebzeiten des alten Königs fragte Sedl- nitzkty in Wittgensteins Auftrage bei ihm an, ob er nicht als Adjutant zu dem kranken Prinzen Heinrich nach Rom gehen wolle, um dort unter der Hand Verhandlungen mit dem Vatikan einzuleiten. Damals lehnte Brühl ab, weil er den harten Territorialismus der preußischen Kirchen- politik ebenso tief verabscheute wie die fanatischen Allokutionen der Kurie: „Altenstein mit den Seinen sowie Lambruschini mit seiner Clique sind einander wert.““) Jetzt nahm er den wiederholten Auftrag unbedenklich an: dem Rufe seines königlichen Freundes wollte er sich nicht entziehen, und seit dem Thronwechsel erschien die Unterhandlung auch nicht mehr aussichtslos. Er sollte sich in Rom zunächst aller bestimmten Aner- bietungen enthalten, aber der Kurie feierlich versichern, daß der König der römischen Kirche in Preußen alle nur mögliche Freiheit gewähren wolle, und schließlich „als einen ersten Beweis guten Willens“ verlangen: der Papst möge den Erzbischof von Köln — vielleicht als Kardinal — aus Deutschland abberufen, um alsdann mit der Krone gemeinsam die Ver- waltung des verwaisten Erzbistums endgültig zu ordnen?*); bliebe der römische Stuhl ganz unversöhnlich, dann müßte sich Preußen mit England und anderen protestantischen Mächten über eine gemeinsame Kirchenpolitik verständigen. Diese Drohung bedeutete freilich gar nichts; denn jeder- mann wußte, daß der Londoner Hof nie einen Finger regte, wenn er sich nicht in seinen eigenen Interessen bedroht glaubte, und in der Tat gab Palmerston, auf eine Anfrage des preußischen Gesandten, nur eine freund- liche, aber völlig nichtssagende Antwort.“) *) Sedlnitzky an Brühl, 20. 21. Febr. 1840, nebstBrühls Bemerkungen. **) Werthers Weisungen an Brühl, 10. 22. Juli, an, Buch, 22. Juli 1840. *') Bülows Bericht, London, 16. Aug., Werthers Bericht an den König, 26. Aug. 1840.