304 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. — dies Bayern, das eben jetzt wegen seiner ultramontanen Mißregierung fast von allen deutschen Höfen tief verabscheut wurde! Die letzten Ziele der Klerikalen enthüllte mit gewohnter Plumpheit der greise Clemens August Droste selbst in einem noch während seines Exils geschriebenen Buche „über den Frieden unter der Kirche und den Staaten“. Er führte hier nur näher aus, was er schon vor Jahren über „die Religions- freiheit der Katholiken“ geschrieben hatte. ) Das neue Buch war ebenso stümperhaft wie das alte, aber bedeutsam durch den Namen seines Verfassers, mehr noch durch seine erschreckende massive Offenherzigkeit, so daß Mar- heineke und andere evangelische Theologen sich gedrungen fühlten, sofort zu antworten. Hier wurde die römische Kirche kurzab für das Himmel- reich auf Erden erklärt und dem Staate nur ein Schutzrecht vergönnt, wie umgekehrt auch die Kirche befugt sein sollte, den Staat zu beschützen. Daraus ergab sich denn eine rein revolutionäre Staatslehre. Wie die Jakobiner einst ihre Menschenrechte allem positiven Rechte entgegengesetzt hatten, so unterschied Droste die mit der Natur des Staates gegebenen, auch die Kirche verpflichtenden „Staatsgesetze“ von den willkürlichen „Staaten= oder Landesgesetzen“ der Regenten, denen die Kirche keinen Gehorsam schulde. Frecher war die Doktrin der Revolution seit den Tagen des Konventes nicht mehr verkündet worden; denn mochten die einen betend ihre Hände falten und vor den Bildern der Heiligen knien, die anderen um den Freiheitsbaum tanzen — wer also ein erträumtes natürliches Recht über die Gesetze des lebendigen Staates stellte, zerstörte jedes Band der Treue und des Gehorsams im politischen Leben. Der Staat, so schloß Droste, muß der Kirche, der eigentlich die Herrschaft ge- bührt, mindestens die volle Gleichberechtigung gewähren, unbekümmert um die törichte Unzufriedenheit der Protestanten, die von ihrem Luther nur gelernt haben, der Unsittlichkeit, dem Vernunftstolze, dem Zweifel zu frönen. Mit diesem ehrlichen Glaubensbekenntnis trat der alte Kämpe der alleinseligmachenden Kirche von der politischen Bühne ab. Seinen Bischofs- sitz sah er niemals wieder, aber eine Pilgerfahrt nach Rom mochte er sich in seinem hohen Alter nicht versagen; dort wohnte er bei einem frommen westfälischen Buchdrucker und lebte, ohne nach den glänzenden Ehrenbezeigungen des Vatikans viel zu fragen, ganz seiner mönchischen Andacht. Und seltsam, dieser Mann, der in Prosa nie einen lesbaren Satz schreiben konnte, erlebte doch dann und wann Augenblicke poetischer Begeisterung. In solchen Stunden dichtete er das von den Kindern beider Bekenntnisse oft gesungene Lied „Stell' himmelwärts, stell' himmelwärts gleich einer Sonnenuhr dein Herz“; und noch deutlicher sprach der knor- rige Westfälinger sein innerstes Wesen aus in den Versen: *) S. o. III. 217.