306 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. herrschsüchtig, rücksichtslos, im Landtage gefürchtet durch seine schlag— fertige, feurige Beredsamkeit. Aus Wetzlar gebürtig, war Abel einst als Rat der griechischen Regentschaft dem pfälzischen Protestanten Maurer bei seinen Reformgesetzen zur Hand gegangen und auch im Münchener Landtage für manche Forderungen des Liberalismus eingetreten. Noch erzählte man sich gern, wie stürmisch er damals mit seiner mächtigen Stimme gegen die Zensur gedonnert hatte, die morsche Krücke einer schwachen, die lähmende Fessel einer starken Regierung. Späterhin hatte er sich, tief erschüttert durch den Tod seiner geliebten frommen Gattin, von den alten Genossen schroff abgewendet und in der harten Autoritäts— lehre der Klerikalen seinen Frieden gefunden; bei grauendem Morgen, unbemerkt von der Welt, pflegte er fortan täglich vor einem Altare der Theatinerkirche betend zu knien. Zu keiner Zeit, schrieb er dem gleich— gesinnten Hurter, waren die Throne von so großen Gefahren umgeben, nur von der Kirche ist noch Heil und Rettung zu hoffen. Als er in die Regierung eintrat, da erschien es ihm wie ein Wink Gottes, daß fast im selben Augenblicke Droste-Vischering den Damm zerstieß und die ultra— montane Hochflut über Deutschland dahinrauschte. Er wollte kämpfen für Thron und Altar, so wie einst Haller diesen Kampf verstanden hatte. Was kümmerte es ihn in seinem fanatischen Tatendrange, daß er durch diese Politik das evangelische Drittel des bayrischen Volks gegen die Krone aufreizte und die Sicherheit aller deutschen protestantischen Dynastien ge— fährdete? Je ärger die Zustände im protestantischen Deutschland sich verwirrten, um so höher sollte das Gestirn der gläubigen Wittelsbacher steigen. Gewiß war Abel weit mehr ein Politiker als ein kirchlicher Eiferer, und da er überall den selbstherrlichen Willen seines katholischen Königs unerbittlich ausführte, so konnte es nicht fehlen, daß er unterweilen auch einzelne seiner klerikalen Freunde vor den Kopf stieß. Gleichwohl bewiesen die Ultramontanen schwarze Untreue, als sie den verhaßten und verrufenen Mann nach seinem endlichen Sturze in hellen Haufen verließen und verleugneten, als ob er nie zu ihnen gehört hätte. Denn ihm allein ver— dankten sie in Wahrheit, daß sie an der Isar eine Zeitlang so herrisch schalten konnten wie vormals in der Pfaffengasse des heiligen Reichs. Nirgends wußte man dies besser als in Rom. Sobald Abel ans Ruder kam, erkannte die Kurie sofort, jetzt sei der rechte Augenblick dem Klerus in Bayern ein ebenso behagliches Paradiesgärtlein einzurichten, wie in Belgien. Sie war sehr gut vertreten durch den Nuntius Viale Prela, einen geistreichen, liebenswürdigen Prälaten, der Deutschland kannte und liebte, aber als weltkluger Welscher über den Feuereifer seiner baju- varischen Gefolgschaft manchmal selbst erschrak. Nun fügte das gütige Schicksal, daß in den nächsten Jahren die meisten bayrischen Bistümer ihre Oberhirten verloren. Unter Abels freudiger Mitwirkung wurden über- all rüstige junge Kleriker von jesuitischer oder doch streng ultramontaner