Das Religions-Patent. 359 zösischen Sinne, wohl aber der Erklärung einer legitimen Ehe vor dem Richter.“ Eifrig kam er auf diese Idee einer „Quasi-Zivilehe“ zurück, nur sollte sie mit den Institutionen des „revolutionären Frankreichs“ schlech— terdings nichts gemein haben.*) Bald zeigte sich aber, daß er über solche Dinge weit freier dachte als die Mehrzahl seiner Räte; darum beschloß er, die große Prinzipienfrage der bürgerlichen Eheschließung vorläufig ruhen zu lassen und zunächst nur für die Trauungen der Dissidenten mildere Vorschriften zu geben. Auch dabei stieß er auf lebhaften Wider- spruch. Mehrere der Minister fanden die Pläne des Monarchen von Haus aus viel zu weitherzig; Hofprediger Snethlage, ein gläubiger, keines- wegs fanatischer Westfale, der sich bald des Königs persönliches Ver- trauen gewann, verlangte zum mindesten, daß die bürgerliche Eheschließung der kirchlichen Einsegnung der Dissidenten immer vorangehen müßte, damit der christliche Staat nicht in die Lage käme, die Zeremonien der Sektierer mittelbar anzuerkennen. Nach sehr weitläufigen Verhandlungen einigte man sich dahin, daß die Brautleute der geduldeten Sekten zunächst gerichtlich aufgeboten, dann nach dem Brauche ihrer Sekte eingesegnet werden und schließlich durch die Eintragung in die Register der Gerichte die bürgerliche Anerkennung ihrer Ehe erlangen sollten. *“) Im übrigen schloß sich der von Eichhorn vorge- legte Entwurf des Religionspatentes eng an die Vorschriften des Allge- meinen Landrechts an..““) Gleichwohl erschien er manchen Orthodoxen wie eine gefährliche Neuerung. Präsident Gerlach widersprach im Staats- rate entschieden — denn „man darf nicht alles, was sich Kirche und Trau- ung nennt, auch als solche unbesehens gelten lassen“ — und beschwor noch im letzten Augenblicke seinen königlichen Freund flehentlich, dies unselige, die Abtrünnigkeit fördernde Gesetz nicht zu veröffentlichen.X) Der König blieb standhaft. Am 30. März 1847 wurde das Patent über die Bildung neuer Religionsgesellschaften unterzeichnet, das allen Ausgetretenen den Genuß der bürgerlichen Rechte und Ehren zusicherte, sobald ihre neue Religionsgemeinschaft vom Staate genehmigt würde. Solche Sekten, welche sich mit einer der beiden großen Religionsparteien des Westfälischen Friedens „in wesentlicher ÜUbereinstimmung befänden“, sollten, gleich den Altlutheranern, befugt sein, ihre Amtshandlungen mit voller rechtlicher Wirkung vorzunehmen; andere Sekten wurden nur geduldet und mußten sich den neuen Vorschriften über die Quasi-Zivilehe unterwerfen. *) König Friedrich Wilhelm an Bunsen, 16. Jan., 10. 12. Febr. 1847. er) Thiles Bericht, 15. Juli 1845. König Friedrich Wilhelm an Thile, 13. Dez.; Protokoll der Ministerkonferenz, 13. Dez.; Snethlage an Thile, 14. 16. Dez.; Thiles Antwort, 16. Dez. 1846. ###) Eichhorn, Motive und Denkschrift zum Religionspatente, 15. Juli, 14. Dez. 1845. )Ludwig v. Gerlach an König Friedrich Wilhelm, 14. Dez. 1846, 23. Febr., 30. März 1847. Ministerialprotokoll, 20. Dez. 1846.